Das oe24-Interview mit dem KI-Experten Dominik Kronberger, Head of AI Consulting bei DXC Technology Austria, zeigt wie wichtig Cybersicherheit ist. Gerade auch, wenn es um die kritische Infrastruktur, Stromnetze und Kraftwerke geht.
Was die Ursache für den Blackout in Spanien und Portugal war, ist bis jetzt noch nicht bestätigt. Das bösartige KI, genutzt von Angreifern, in Zukunft aber für Blackouts sorgen könnte, ist leider eine realistische Möglichkeit, sagt KI-Experten Dominik Kronberger gegenüber oe24.
Die Zahl der Cyber-Angriffe auf kritische Infrastrukturen wird nach Expertenprognosen weiter zunehmen. Dabei geraten digitale Steuerungssysteme von Fabriken, Kraftwerken oder Krankenhäusern immer häufiger in das Fadenkreuz von Hackerangriffen. KI-Experte Kronberger sagt oe24: „Es zeigt sich, dass Cyberkriminelle – teilweise sogar im Auftrag staatlicher Akteure – ohne Rücksicht auf Verluste vorgehen.“
Die Wirtschaft ist bereits damit beschäftigt, ihre Betriebsabläufe auf den Prüfstand zu stellen und mit Cybersicherheitsmaßnahmen auszustatten. So verfügen beispielsweise 70 Prozent der Unternehmen in Österreich und der Schweiz inzwischen über einen Notfallplan für Hackerangriffe. Vor zwei Jahren lag die Quote in beiden Ländern erst bei rund 40 Prozent. In Deutschland sind es aktuell 76 Prozent.
Sicherheits-Studie von DXC Technology
Kronberger arbeitet als KI-Chefberater für DXC Technology (NYSE: DXC), ein führendes, weltweit tätiges Fortune-500-Technologieunternehmen. Die Firma identifizierte in einer aktuellen Studie mit 300 IT-Entscheidern zur Cybersicherheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz fünf Cyber-Security-Trends 2025, auf die sich die Unternehmen in Österreich einstellen sollten.
1. KI als Cyberwaffe für Angriff und Verteidigung
Cyberkriminelle setzten verstärkt künstliche Intelligenz ein, um die Erfolgsquoten ihrer Hackerangriffe zu verbessern. So werden Phishing-E-Mails von einfachen Täuschungsmails zu wesentlich glaubwürdigeren Anschreiben entwickelt: Angreifer setzen beispielsweise sogenannte Deepfakes ein – eine Form der generativen KI – mit der überzeugende gefälschte Texte, Bilder oder Töne erstellt werden können.
2. Neue Einfallstore
Arbeitnehmer sind immer häufiger mit Smartphones, Tablets, Laptops oder sonstigen Geräten und einer noch größeren Anzahl von Anwendungen online. Berufliches Nutzungsverhalten vermischt sich dabei mit privaten Aktivitäten. Für Hacker entstehen mit der Zunahme von Apps, SMS-Diensten und sozialen Kanälen ganz neue Einfallstore, um auf sensible Daten zuzugreifen.
3. Kritische Infrastrukturen in Gefahr
Digitale Steuerungssysteme von Fabriken, Kraftwerken oder Krankenhäusern geraten immer häufiger in das Fadenkreuz von Hackerangriffen.
4. Erhöhte Bedrohungslage für Lieferketten
Cyberkriminelle greifen gezielt Lieferketten an. Statt also nur einzelne Endnutzer zu attackieren, wird das Netzwerk von Unternehmen, deren Zulieferern und Kunden einer Branche ins Visier genommen. Bedroht sind Unternehmensdaten, Zugangsdaten, Kundeninformationen, Quellcode und andere äußerst sensible Daten, die in die Hände von einzelnen Kriminellen oder staatlich unterstützten Hackern gelangen. Solche Angriffe können tiefgreifende Auswirkungen für ganze Industriezweige haben, die über die Lieferkette miteinander digital vernetzt sind.
5. KI bündelt die Kräfte
Der Fachkräftemangel für geschultes Cybersecurity-Personal macht den Unternehmen heute bereits zu schaffen. Gleichzeitig sind die bestehenden IT-Sicherheitsteams mit immer komplexeren Bedrohungsszenarien konfrontiert.
oe24: Herr Kronberger, Künstliche Intelligenz prägt heute bereits viele Lebensbereiche. Wo begegnet sie uns im Alltag besonders häufig?
Künstliche Intelligenz ist keine Zukunftsmusik mehr – sie ist fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Von personalisierten Streaming-Diensten und Sprachassistenten bis hin zu GPS-Navigation und Betrugserkennung: KI wirkt im Hintergrund und macht unseren Alltag einfacher und smarter.
Dabei geht es um mehr als Komfort. Im Gesundheitswesen ermöglicht KI personalisierte Behandlungen durch die Analyse genetischer und medizinischer Daten. In der Luftfahrt unterstützt KI die Flugverkehrskontrolle und verbessert die Sicherheit sowie Effizienz durch Echtzeitanalyse. Gleichzeitig ermöglicht die zunehmende Bedeutung generativer KI jedem, Texte, Bilder, Musik oder Programmcode zu erstellen – auch ohne technisches Fachwissen. Dies ist ein grundlegender Wandel: KI ist nicht mehr nur Werkzeug für Experten, sondern kreativer und problemlösender Partner für alle.
Selbst wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen, optimiert KI kontinuierlich Systeme, die wir täglich nutzen, und macht unser Leben nicht nur einfacher, sondern auch intelligenter, sicherer und stärker vernetzt.
Wie ist das aktuelle Verständnis von KI in der Bevölkerung?
Viele verbinden KI nach wie vor mit Science-Fiction oder abstrakten Technik-Begriffen. Dieses eingeschränkte Verständnis führt oft zu Zurückhaltung oder sogar Misstrauen. KI ist jedoch kein einheitliches Konzept, sondern umfasst viele Technologien und Anwendungsfälle mit unterschiedlichen Potenzialen und Auswirkungen. Deshalb setzen wir bei DXC auf Bildungsinitiativen und praxisnahe Workshops, um KI greifbarer, verständlicher und weniger einschüchternd zu machen. Unser Ziel ist es, KI zu entmystifizieren und den Menschen näherzubringen – zu erklären, was KI leisten kann und was nicht.
Welche Auswirkungen hat KI auf die Arbeitswelt?
Wir erleben derzeit einen bedeutenden Wandel. KI automatisiert Routineaufgaben, schafft aber gleichzeitig neue Freiräume für Kreativität, strategisches Denken und Innovation. In der Produktion beispielsweise wechseln Mitarbeiter von manuellen Tätigkeiten zu überwachenden und analytischen Rollen, in denen sie mit intelligenten Maschinen zusammenarbeiten. Es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern ihre Fähigkeiten zu erweitern. Ähnlich wie das Auto oder der PC Arbeitsrollen veränderten, verändert KI Abläufe und Aufgaben – aber menschliche Qualitäten wie Empathie, Ethik und Urteilsvermögen bleiben unersetzlich.
Wien als europäischer KI-Hotspot – welche Chancen ergeben sich daraus?
Dass Wien von der EU als Standort der „AI Factory Austria“ ausgewählt wurde, ist ein echter Meilenstein. Die Stadt wird dadurch zu einem europäischen Zentrum für KI. Das zieht Talente, Unternehmen und Investitionen an und schafft hochwertige Arbeitsplätze. Für DXC bietet dies eine hervorragende Gelegenheit, unser lokales Engagement auszubauen – unsere Expertise zu erweitern, Ökosysteme zu stärken und die Wirkung von KI im Herzen Europas zu beschleunigen.
Welche Risiken sehen Sie derzeit beim Thema KI – und lohnt sich die Investition?
KI bietet enorme Chancen, aber auch reale Risiken. Algorithmische Verzerrungen, Datenschutzverletzungen und fehlerhafte Entscheidungen aufgrund schlechter Datenqualität sind kritische Themen. Es gab Fälle, in denen frühe Gesichtserkennungssysteme Frauen oder People of Color nicht korrekt identifizierten – mit ernsten Folgen. Das sind nicht bloß technische Fehler, sondern ethische Versäumnisse. KI spiegelt menschliche Systeme wider – mit allen Vor- und Nachteilen. Deshalb sind ethische Gestaltung, Governance und Transparenz unerlässlich. Obwohl Investitionen in KI boomen, sind sie kein garantierter Erfolg. Gartner schätzt, dass 85 % der KI-Projekte keinen Wert liefern. Erfolg erfordert klare Ziele, solide Datenbasis und eine realistische Strategie, keine Hypes.
Bei DXC Technology verfolgen Sie den Ansatz „Human in the Loop“. Warum ist das wichtig?
Weil Vertrauen in KI bei den Menschen beginnt. Bei DXC glauben wir, dass KI immer erklärbar, transparent und ethisch ausgerichtet sein muss. Deshalb integrieren wir menschliche Kontrolle in jeden Schritt – vom Training bis zur Entscheidungsfindung. Es geht nicht darum, zwischen Mensch und Maschine zu wählen, sondern um eine ausgewogene Zusammenarbeit. Diese Synergie schafft Systeme, die nicht nur intelligent, sondern auch verantwortungsvoll und vertrauenswürdig sind.
Welche Herausforderungen ergeben sich bei KI hinsichtlich Sicherheit und Ethik?
KI braucht klare Regeln. Systeme, die mit großen Datenmengen arbeiten, müssen höchste Datenschutzstandards erfüllen. Doch es geht nicht nur um Technik, sondern um Verantwortung. Denn KI entsteht nicht im luftleeren Raum: Sie übernimmt unsere Werte, Vorurteile und Fehler. Deshalb ist ethisches Design ebenso wichtig wie technische Robustheit. Ein wichtiger Hebel ist dabei die Schulung und Bewusstseinsbildung. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter nicht nur technisch, sondern auch ethisch auf den Umgang mit KI vorbereiten. DXC setzt auf Transparenz, regelmäßige Prüfungen und gezielte Trainings. Denn nur wer KI versteht, kann sie verantwortungsvoll nutzen.
Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, um KI verantwortungsvoll einzusetzen?
Europa gibt hier ein gutes Beispiel: Die EU-KI-Verordnung, die teilweise im Februar 2025 in Kraft trat, schafft erstmals einen verbindlichen Rahmen. Dieser ist essenziell, um Innovation mit Verantwortung zu vereinen. Regulierung bremst nicht – sie schafft Vertrauen und Qualität. Nur wer KI verantwortungsvoll einsetzt, wird langfristig erfolgreich sein.
Unternehmen sollten Cybersecurity-Aufgaben erweitern
Unternehmen seien gut beraten, den Bewerberpool für Cybersecurity-Aufgaben zu erweitern und eigene Beschäftigte mit Training-on-the-Job-Programmen umzuschulen oder weiterzuentwickeln. Dabei will DXC Technology unterstützen: Man helfe globale Unternehmen dabei, ihre geschäftskritischen Systeme und Abläufe zu betreiben und gleichzeitig die IT zu modernisieren, Datenarchitekturen zu optimieren sowie Sicherheit und Skalierbarkeit über öffentliche, private und hybride Clouds zu gewährleisten.