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Startseite » Schüler: „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie was“
Politik

Schüler: „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie was“

MitarbeiterBy MitarbeiterJuni 15, 2025
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Schüler: „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie was“

Rund eine Stunde lang hielt man am Grazer Hauptplatz am frühen Sonntagabend inne und gedachte der Opfer des Amoklaufes vom Dienstag, als im BORG Dreierschützengasse neun SchülerInnen und eine Lehrerin getötet und elf verletzt wurden.

Die Politik hielt sich mit ihren Reden kurz, die Frage nach dem Warum stand im Fokus. Für Applaus der rund 4.500 Teilnehmer sorgte die Ansprache des Schulsprechers, der die versammelte Spitzenpolitik bat: „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie was.“

Die Schüler und Lehrer, die Stadt Graz, die Steiermark und die Republik gedachten am Sonntag um 18.00 Uhr am Grazer Hauptplatz der Opfer der Amoktat am BORG Dreierschützengasse. Die gesamte Landesregierung, die Stadtregierung, Alt-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) und Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl hatten sich eingefunden, neben rund 130 Schülern und Angehörigen. Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) sprach in Vertretung von Bundeskanzler Christian Stocker, nach Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der eine Videobotschaft schickte, in der er Schülern und Eltern Mut und Trost zusprach.

„Wie tröstet man Eltern, die ihr Kind verloren haben?“

Pröll sagte, er finde nicht die richtigen Worte. „Wie tröstet man Eltern, die ihr Kind verloren haben? Vielleicht geht es nicht um die richtigen Worte, sondern ums das Hiersein und das Zusammensein.“ Was man heute tun könne, sei zuhören und mitfühlen und zu sagen: „Ich bin da“, so Pröll, der zusammen mit SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried die Bundesregierung vertrat.

Ebenfalls auf der Videowand gab es ein Statement des Schulsprechers Ennio Resnik: „Liebe Welt! Das BORG hat sich in den letzten Tagen in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Ich will, dass man mir in die Augen schaut und begreift, was geschehen ist. Ich will, dass die Welt und Politik aufwachen.“ Er wolle – und es sei egal, ob Buddhist oder Muslim oder Christ oder Jude, ob divers oder anders – dass jeder sehe, dass „Ihr das Licht der Welt seid“, wandte sich Resnik an seine Schulkollegen. Er wolle auch Worte finden, aber das könne er nicht. Er könne nicht beschreiben, wie unendlich leid es ihm tue. Aber er wolle auch danken: „Sicherheitskräften, Lehrern, Betreuern, Eltern – danke, wie Ihr gehandelt habt, Eure Leistung war, ist und bleibt übermenschlich.“

„Er hat versagt. Wir haben gewonnen, weil wir lieben können.“

Dann sprach Resnik indirekt den Täter an: „Er wollte, dass wir Angst haben, hassen, auseinandergehen. Aber er hat versagt, weil wir lieben können und stärker sind. Wir haben schon gewonnen. Haltet zusammen. Ihr seid das Licht der Welt.“ Und plötzlich begannen Menschen zu klatschen, erst vom Ende des Platzes, dann über den ganzen Hauptplatz. Und als sich alle Schüler auf der Bühne versammelten und an den Händen hielten, unter den Klängen des Hoffnungsliedes „We are the world“, gesungen vom HIB art chor, wandte sich Resnik persönlich an die Politik: „Bitte, liebe Regierung, ändern Sie was. Danke.“

Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) begann ihre Rede mit „128 Stunden“. So viele seien vergangen seit der unvorstellbaren Gewalttat, die zehn Leben auslöschte. Viele Menschen hätten nach Erklärungen gesucht. „Es gibt keine. Nur einen Weg: den des Zusammenhalts, des Mitgefühls und der Mitmenschlichkeit und der Besonnenheit. Das zeichnet unsere Stadt und ihre Menschen in dieser Zeit aus. Danke allen, die ihr Bestes für andere gegeben haben.“ Viele hätten sich schon abgefunden, mit Hass und Gewalt als Teil des Lebens, viele schauten weg. Von da weg sei es nur ein kleiner Schritt zur Eskalation. Aber: „Nach vorne schauen heißt: etwas verändern, damit unsere Kinder und Jugendlichen sich sicher und wohl fühlen können“, so die Bürgermeisterin. Auch Kahr erhielt an dieser Stelle Applaus.

„Eine Schule, in der niemand übersehen wird“

Eltern-Vertreter Mirza Candic dankte unter anderem den Einsatzkräften und den Lehrern, „die unsere Kinder schützten und sie begleiteten. Und danke vor allem an unsere Kinder, die Mut und Stärke gezeigt haben, einander geholfen und sich geschützt haben. Die Stunden des Wartens auf ein Lebenszeichen werden wir niemals vergessen. Wir wollen auch nicht zurück zur alten Normalität, wir fordern Raum, um alles aufzuarbeiten, wir wollen eine Schule, in der niemand übersehen wird“, so Candic unter Applaus der laut Polizeizählung rund 4.500 bis 5.000 Teilnehmer.

Nach Ansprachen in Form eines „Interreligiösen Impulses“ der Vertreter der Religionsgemeinschaften – Inga Margereta Brenner von der Buddhistischen Religionsgemeinschaft, Superintendent Wolfgang Rehner von der Evangelischen Kirche, der katholische Dom- und Stadtpfarrer Ewald Pristavec sowie Mehmet Celebi von der Islamischen Religionsgemeinde – neigte sich die Trauerfeier dem Ende zu, bei 30 Grad Celsius, aber einem gnädigen leichten Brise. Der Sukkus: „Gewalt, in welcher Form auch immer, darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.“ Und: „Wählen wir das Leben, wählen wir das Miteinander.“ Man habe eine gemeinsame Verantwortung für eine Gesellschaft, in der Kinder ohne Angst leben dürfen. Vielleicht liege die Antwort nicht in großen Worten, sondern in kleinen Gesten.

Einsatzkräfte riegelten Zugänge zum Hauptplatz ab

Als Abschluss intonierte der HIB art chor John Lennons „Imagine“. Laut Polizei kam es zu keinen Zwischenfällen. Gut vorgesorgt war jedenfalls. Die Einsatzkräfte hatten jeden Zugang zum Hauptplatz gestaffelt mit Öffi-Bussen, Streifenwagen und sogar einem Schwer-Lkw mit Baustoffen blockiert.

Gedacht wurde am Sonntag und wird noch beim interkonfessionellen Gottesdienst am Dienstag im Grazer Dom der zehn getöteten und elf verletzten Menschen, auf die ein Ex-Schüler in der Schule in der Dreierschützengasse am Dienstagvormittag geschossen hatte, bevor er Suizid verübte. Vor fast genau zehn Jahren, am 28. Juni 2015, hatte ebenfalls am Hauptplatz eine von über 12.000 Menschen besuchte Trauerfeier für die drei Menschen stattgefunden, die während einer Amokfahrt eines Mannes durch die Innenstadt acht Tage zuvor getötet worden waren. Damals hatte ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl eine berührende, klarsichtige Rede gehalten – Kahrs Amtsvorgänger wäre selbst damals fast ein Opfer des Amokfahrers geworden.

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