Fast genau 30 Jahre nach einem gescheiterten Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisbau in der deutschen Hauptstadt Berlin hat der Prozess gegen zwei mutmaßliche Mitglieder der linksextremistischen Gruppe “Das Komitee” begonnen.
Für das Verfahren vor dem Berliner Kammergericht sind die beschuldigten Peter K. (65) und Thomas W. (62) aus ihrem Exil in Venezuela nach Deutschland zurückgekehrt. Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte im Dezember 2024 Anklage erhoben.
Anschlag geplant
Laut Anklage hatten Peter K. und Thomas W. und der Komplize im April 1995 einen Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau geplant. Dafür sollen sie mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen gefüllt und diese mit Zeitzündern präpariert haben. Ihr Ziel sei es gewesen, gesellschaftspolitische Veränderungen durch Brand- und Sprengstoffanschläge auf staatliche Einrichtungen herbeizuführen.
Nun läuft der Prozess gegen sie auf Bewährungsstrafen hinaus. Aus Sicht der Angeklagten ist das ein Erfolg. W. zeigte Unterstützern im Zuschauerraum des Berliner Kammergerichts am ersten Prozesstag mit einer Hand das Siegeszeichen. Kurz danach legten beide über ihre Anwälte Geständnisse ab. Ein Urteil soll es im April geben.
Angebot: Bewährungsstrafe und Aufhebung der U-Haft
Der Vorsitzende Richter Gregor Herb schlug zu Beginn nach Verlesung der Anklage eine sogenannte Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten vor: Danach sei eine Gefängnisstrafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, für die beiden Angeklagten möglich. Voraussetzung seien die Geständnisse. Auch die Untersuchungshaft solle dann noch am ersten Prozesstag ausgesetzt werden, sagte der Richter. Wie erwartet stimmten Bundesanwaltschaft und Verteidiger zu. Die beiden Verteidiger verlasen kurze, aber umfassende Geständnisse von Peter K. und Thomas W. Damit waren die Voraussetzungen der Verständigung erfüllt.Die beiden Angeklagten wurden in Folge vorerst aus der Haft entlassen, nachdem sie zuvor ein Geständnis abgeleget hatten.
Polizeistreife verhinderte Anschlag
Laut Bundesanwaltschaft wollten sie mit der geplanten Sprengung verhindern, dass Menschen kurdischer Herkunft in die Türkei abgeschoben werden und so den bewaffneten Kampf der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützen. Zum Anschlag selbst kam es nicht: Auf einem Parkplatz in der Nähe der Haftanstalt sollten die Sprengvorrichtungen umgeladen werden – doch eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife kam dazwischen. Die Männer flüchteten.
Ziel sei es gewesen, das Gebäude zum Einsturz zu bringen, hieß es in K.s Erklärung. Er sei damals der Ansicht gewesen und sei es bis heute, dass Abschiebehaft gegen die unveräußerlichen Menschenrechte verstoße. Bei dem Anschlag habe die Gruppe sicherstellen wollen, dass keine Menschen zu Schaden kommen, betonten beide Angeklagten laut Erklärungen. Deshalb hätten sie vorab die Baustelle ausgekundschaftet und festgestellt, dass nachts niemand vor Ort war. Um etwaige Passanten zu schützen, wollten sie Zettel mit entsprechenden Warnhinweisen an dem Gebäude anbringen. Diese wurden laut Bundesanwaltschaft in dem Transporter gefunden, in den die Propangasflaschen geladen wurden. Die Gasflaschen sollten mit Zeitzündern präpariert werden und gegen 03.00 Uhr nachts die Explosion auslösen.
Asyl in Südamerika
Die Männer waren nach dem gescheiterten Anschlagsversuch abgetaucht – und waren jahrelang auf der Flucht. Fast 20 Jahre nachdem das Trio abgetaucht war, spürte das Bundeskriminalamt den inzwischen toten Verdächtigen in Venezuela auf. Die Polizei nahm ihn fest, er kam in Südamerika in Haft. Ein Auslieferungsersuchen Deutschlands wurde aber abgelehnt. Die beiden Angeklagten erhielten Asyl in Brasilien.
Bei Rückkehr am Flughafen festgenommen
Inzwischen ist das Duo jedoch wieder in Deutschland. Vorausgegangen war laut Rechtsanwalt Lukas Theune eine sogenannte Verständigung. Demnach können die Angeklagten bei einem Geständnis mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Solche Absprachen im Strafprozess sind in geeigneten Fällen zulässig. Sie sollen vor allem die Arbeitsbelastung der Justiz mindern, bieten aber auch Angeklagten Vorteile.
Peter K. und Thomas W. wurden bei der Ankunft am Hauptstadtflughafen aufgrund des bestehenden Haftbefehls festgenommen. Sie befinden sich im Gefängnis Moabit in Untersuchungshaft. Die Verteidigung kündigte jedoch an, zum Prozessauftakt eine Entlassung aus der Haft zu beantragen.
Vorwurf noch lange nicht verjährt
Dass es überhaupt nach fast 30 Jahren noch zum Prozess kommt, geht aus Sicht der Verteidigung auf einen “Trick” der Bundesanwaltschaft zurück. Sie wirft dem Duo nicht Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder den geplanten Anschlag in Grünau vor, sondern eine Verabredung zur Tat. Damit ist die Tat nicht nach 20 Jahren verjährt. Beschwerden dagegen blieben beim Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht ohne Erfolg, so Rechtsanwalt Lukas Theune.
Für den Prozess vor dem 2. Strafsenat des Kammergerichts hat der Vorsitzende Richter Gregor Herb bisher insgesamt vier Tage angesetzt. Ein Urteil wird demnach am 8. April erwartet.