Der Deutsche Bundestag hat am Dienstag Grundgesetzänderungen für ein Billionen-Finanzpaket für Sicherheit und Investitionen beschlossen.
Am Dienstag wurde die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes erreicht, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nach Auszählung der Abstimmung mitteilte. Danach stimmten 513 Abgeordnete mit Ja, 207 mit Nein, Enthaltungen gab es keine.
Für die Zweidrittelmehrheit waren mindestens 489 Stimmen erforderlich. Beschlossen wurde auf Antrag von Union und SPD, mit Zustimmung der Grünen, zum einen das Streichen eines Deckels in der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Zum anderen soll nun ein 500 Milliarden Euro umfassender Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur geschaffen werden – eine neue Kreditlinie außerhalb der Schuldenbremse. Drittens sollen die Länder künftig das Recht bekommen, sich bis zu einer Grenze von 0,35 Prozent des BIP wieder verschulden zu können.
Dreistündige Debatte
In der vorangehenden dreistündigen Debatte hatten Redner mehrerer Parteien von einer “historischen” Entscheidung gesprochen. Anträge von FDP und AfD, auf die Abstimmung im alten Bundestag zu verzichten und eine Entscheidung dem neuen Bundestag zu überlassen, wurde mit Stimmen von Union, SPD und Grünen abgelehnt.
Damit die Grundgesetzänderung in Kraft treten kann, muss am Freitag auch der deutsche Bundesrat zustimmen – ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit. Diese Mehrheit gilt als sehr wahrscheinlich, nachdem die bayerische Regierung am Montag ein “Ja” angekündigt hatte und der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) betonte, dass er von einer Zustimmung auch seines Landes ausgehe.
Schuldenaufnahme von einer Billion Euro möglich
Der Deutsche Bundestag hat am Dienstag Grundgesetzänderungen für ein Billionen-Finanzpaket für Sicherheit und Investitionen beschlossen. Geld fließt vorerst aber noch nicht. Zur Befüllung etwa des neuen, 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens muss der neue Bundestag mit einem Errichtungsgesetz die Kreditermächtigungen beschließen – dazu reichen dann einfache Mehrheiten, etwa wenn Union und SPD eine Koalition bilden.
Auch der Bundesrat muss am Freitag noch zustimmen. Es folgt ein Überblick:
Lockerung der Schuldenbremse – neues Sondervermögen
Über drei Hebel wird die Schuldenaufnahme ausgeweitet: Für Verteidigung wie auch für Zivilschutz, Nachrichtendienste und Militärhilfe für die Ukraine wird die Schuldenbremse gelockert. Aus neuen Schulden kann der Bund zudem einen Ausgabentopf von bis zu 500 Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz auflegen. Legt man Verteidigungsausgaben von bis zu drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jährlich zugrunde, wird eine zusätzliche Neuverschuldung des Bundes von einer Billion Euro oder mehr möglich. Zudem wird eine Nettoneuverschuldung der Länder ermöglicht.
Was gilt für Verteidigung und Sicherheit?
Für “Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten” gibt es keine Kreditobergrenze mehr. Dies ergibt sich daraus, dass diese Ausgaben oberhalb von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen. Ein Prozent des BIP entsprach 2024 rund 43 Milliarden Euro. Darunter fällt auch die Militärhilfe an die Ukraine.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte jüngst gesagt, man rede über einen Verteidigungsaufwand von eher drei als zwei Prozent des BIP jährlich. Allein das wären auf Grundlage des BIP 2024 etwa 129 Milliarden Euro pro Jahr.
Wozu ein Sondervermögen mit Klimaziel?
In einem neuen Artikel 143h des Grundgesetzes heißt es: “Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten.” Zudem wird im Grundgesetz festgehalten, dass die dafür erforderlichen Kredite nicht unter die Schuldenbremse fallen. Das Sondervermögen soll für einen Zeitraum von zwölf Jahren gelten. Erstmals steht damit auf Druck der Grünen auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 explizit im Grundgesetz.
Was ändert sich für die Länder?
Auch für die Länder gibt es künftig die Möglichkeit der strukturellen Neuverschuldung, und zwar in gleicher Höhe wie laut Schuldenbremse für den Bund. Alle Länder zusammen dürfen neue Schulden von bis zu 0,35 Prozent des BIP machen. Das entspricht derzeit etwa einer Summe von 15 Milliarden Euro. Die Aufteilung der jeweils zulässigen Kreditaufnahme auf die Länder soll ein Bundesgesetz regeln. Mit der Grundgesetzänderung wird direkt auch Landesrecht etwa in deren Verfassungen aufgehoben, das eine höhere Schuldenaufnahme verhindern würde.