Regisseur Johannes Erath wirft bei seinem Operettendebüt einen düsteren Blick auf ein vermeintlich leichtes Genre
Man kann sich als Regisseur der Operette in ihren weltvergessenen Melodien hingeben. Man kann versuchen, den satirischen Gehalt der Werke ins Heute zu transponieren. Oder man macht es wie Johannes Erath mit der “Csárdásfürstin” an der Wiener Volksoper. Das Operettendebüt des Theatermachers wurde am Samstag zu einem Abgesang in Schwarz-Weiß, einer düsteren Paraphrase auf das Emmerich-Kálmán-Stück, das letztlich gegen sich selbst gekehrt wird.
Eine Disruption des gängigen Verständnisses war da zu erleben, das am Ende teils euphorisch bejubelt, aber durchaus auch mit Buhs quittiert wurde. Erath treibt schließlich den der “Csárdásfürstin” anhaftenden Ruf, eine Operette der Abschiede zu sein, auf die Spitze.
Tote Pferde und ein schlagendes Herz
Das Bühnenbild verfremdet das Geschehen ins Düstere. Während Pferdekadaver als Fanal des Weltkrieges – der zur Uraufführung des Stückes 1915 bereits tobte – die Bühne bedecken, spielt der 2. Akt als zynische Brechung in der Winterreitschule der Spanischen Hofreitschule.
Eine Decke aus Lichtstäben dient mal als glamouröser Nachtclub, erweckt dann wieder die Assoziation von Kerkerstäben, in denen die Charaktere gefangen sind. Und ein pochender Herzschlag donnert hie und da durch das Volksopernrund, erinnert die von Hausprimadonna Annette Dasch verkörperte Titelfigur an das Vergehen der Zeit.
Gebrochene Charaktere, gebrochenes Spiel
Projektionen wie von Fernand Léger umspielen streckenweise die Akteure, deren Spiel als solches immer wieder ausgestellt, immer wieder gebrochen wird. Die Figuren sind meist in sich isoliert, interagieren nicht, sondern verharren auch bei Dialogen in ihrem jeweiligen Kosmos. Entsprechend bleiben auch nicht szenenrelevante Figuren oftmals auf der Bühne, hat ihre Präsenz doch letztlich in sich keine Bedeutung. Die Nebenrolle des Ferenc ist gar auf fünf Akteure potenziert, die in fragmentierten Kostümen Männlichkeit in verschiedenen Altersstufen verkörpern.
Die Melodien als Kontrast
Gegen diese endzeitliche, selbstreferenzielle Rahmung setzt Erath die vermeintlich leichtherzigen Operettenmelodien Kálmáns, die hier als Kontrast fungieren, in ihrem Eskapismus entlarvt werden. Die sexistischen, paternalistischen Textpassagen werden dabei als solche immer wieder desavouiert – passend zur Premiere am Internationalen Frauentag. Dabei traut sich die Inszenierung gar, in die Partitur einzugreifen. So wird etwa das Vorspiel ersetzt durch Klänge von György Ligeti, was die abgeschattete Tonalität des Abends bereits vorgibt.
Akustik als Minuspunkt
Umso bedauerlicher war deshalb die teils desaströse Akustik des Abends, gelang doch weder der flüssige Wechsel von Mikrofon zum Agieren ohne elektronische Verstärkung, noch konnte man über weite Strecken trotz Verstärkung die Textverständlichkeit gewährleisten. Die englischen Übertitel dienten hier als Notanker. Hinzu kommt, dass das Ensemble mit Dasch an der Spitze und Alexandre Beuchat mit klassischem Operettenschmiss als Edwin kaum über den Graben hinaus strahlt, wenn Tobias Wögerer am Pult das Orchester antreibt.
Diese Unbilden trübten den ansonsten guten Eindruck eines ungewöhnlichen Blicks auf das Genre, der so gänzlich anders ausfällt als die vergangene “Csárdásfürstin” an der Volksoper, die 2018 in der Deutung von Peter Lund Premiere feierte. Diese lieferte noch eine ebenso flotte wie vertraute Interpretation des Werks, in der sich unter anderen Juliette Khalil und Jakob Semotan als Sidekickpaar Stasi und Boni körperlich ausagieren konnten. Beide Darstellenden sind nun erneut in ihren Rollen mit von der Partie, nun jedoch symptomatisch als gebrochene Charaktere. Auch wenn im Libretto stets davon die Rede ist, die Liebe nicht tragisch zu nehmen, bleibt dies bei den Figuren dieser neuen “Csárdásfürstin” hohle Phrase. Denn ihre Welt ist im Begriff unterzugehen.