Ermittlerduo Krassnitzer und Neuhauser taucht in die Wiener Rapszene ein, wo viele holzschnittartige Figuren lauern – Am Sonntag um 20.15 Uhr auf ORF 2
Dieser “Tatort” setzt auf Beats und derbe Sprache: Das heimische Ermittlerduo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) taucht im Fall “Deine Mutter” in die Rapszene ein, mit der es zunächst so gar nichts anfangen kann. Der aufstrebende Musiker Ted Candy wurde erschlagen aufgefunden, und die Liste der Verdächtigen ist lang. Was folgt, ist ein Spiel mit Klischees, die mal besser, mal schlechter eingesetzt werden. Am Sonntag um 20.15 Uhr auf ORF 2.
Alles beginnt mit einem ausgewachsenen Beef, um im Jargon zu bleiben: Ted Candy (der heimische Rapper Jugo Ürdens aka Yugo darf eine fiktionalisierte Version seiner selbst spielen) ist gerade das große Ding im Business, wie auch ein heftig umjubeltes Konzert untermauert. Schön öffentlichkeitswirksam disst er dort seinen früheren Labelboss Akman Onur (Murat Seven), um nach der Show ohne ein weiteres Wort in die Nacht abzurauschen. Wenige Stunden später ist der “fescheste Rapper Wiens”, wie ihn eine Ermittlerin am Tatort beschreibt, tot. Erschlagen. Zeugen? Fehlanzeige.
Für Eisner und Fellner öffnet sich daraufhin eine ihnen nur auf den ersten Blick unbekannte Welt: Die Hip-Hop-Szene ist in Mirjam Ungers “Tatort”-Regiedebüt geprägt von harten Machos, vielen Schwarz-Weiß-Bildern und dem Wunsch nach dem schnellen Geld. Candy wollte offenbar zum großen Label Pulse Music wechseln, wie seine am Boden zerstörte Mutter (Edita Malovčić) beteuert. Kleiner Haken dabei: Sie ist von ihrem Sohn finanziell abhängig und hatte wohl großes Interesse an diesem Aufstieg. Gleichzeitig gibt es mit dem Barkeeper Ferdl einen möglichen Liebhaber Candys, den die Aufnahme einer Überwachungskamera vorm Konzertvenue (das Flex darf als Pillow Club herhalten) nicht unbedingt ins beste Licht rückt.
Und dann ist da natürlich Akman Onur: Murat Seven gibt den ehemaligen musikalischen Ziehvater des jungen Rappers betont hart und mit stets bösem Blick, womit die Gangster-Schlagseite des Genres ausreichend bedient wird. Dass er vor einiger Zeit im Gefängnis saß, macht Eisner und Fellner natürlich hellhörig. “Können Menschen sich nicht ändern?”, entfährt es ihm daraufhin aufgebracht. “Ihr glaubt, das Leben ist eine Einbahnstraße, aber es hat Kurven.” Und schiebt natürlich in Bezug auf seinen Rapnamen nach: “Niemand fickt Akman 47!”
Tja, in Sachen Kraftausdrücke braucht sich dieser “Tatort” jedenfalls nicht verstecken. Eisner ist inzwischen schon mittendrin im rapmusikalischen Geschichtsunterricht (Tupac Shakur! The Notorious B.I.G.!) und kann die Faszination an überholten Rollenbildern nicht wirklich nachvollziehen. “Ich versteh nicht, wer solche Typen super findet.” Bei Fellner sorgt der Fall sogar für ein kurzes, amüsantes Traumintermezzo, in dem sie selbst als Rapperin in Erscheinung tritt. So amüsant das gelingt und so gelungen Unger und die Drehbuchautoren Franziska Pflaum und Samuel Deisenberger mit den unterschiedlichen Zuschreibungen an die Szene arbeiten, mangelt es letztlich an Spannung, tröpfeln die Ermittlungen doch eher beiläufig dahin.
Am Ende ist natürlich vieles anders, als es zunächst scheint. Drogen, Prostitution, organisiertes Verbrechen – es sind die klassischen Zutaten, die zum Tragen kommen. Mit Rapkünstlern wie Frayo und Keke in weiteren Nebenrollen hat der Film, dessen Arbeitstitel zunächst “Hurenkind” lautete, jedenfalls auch neben Jugo Ürdens reichlich Credibility im Gepäck, was nicht zuletzt den musikalischen Einlagen sehr zugute kommt. Das große kriminalistische Feuerwerk wird zwar nicht abgezogen, aber immerhin gibt es die lieb gewonnene Selbstironie von Eisner und Fellner, die nicht nur fluchend durch die Nacht stolpern, sondern zum Schluss auch ihr Faible für Kopfnicker-Sounds entdecken. Dope, Alter!