Helmut Schüller, einst Caritas-Präsident und Kardinal-Vertrauter, jetzt engagierter Pfarrer in Probstdorf, nimmt sich kein Blatt vor den Mund. In der ZIB2 spricht er über das neue Pontifikat und über das, was sich jetzt ändern muss.
Kaum im Amt, schon im Kreuzfeuer der Reformdebatte: Papst Leo XIV. steht am Beginn seiner Amtszeit, doch die Erwartungen sind gewaltig. „Es ist gesagt worden, Papst Franziskus war ein Turbopapst, aber so richtig angelegt mit den Machtstrukturen in der Kirche hat er sich nicht“, sagt Helmut Schüller im Interview mit Moderator Stefan Lenglinger. Doch jetzt gehe es ans Eingemachte. Der frühere Generalvikar von Kardinal Schönborn sieht die Kirche an einem Wendepunkt. Der neue Papst müsse „verbindlich“ Beteiligung schaffen – für Laien, für Getaufte. Alles andere wäre Kosmetik. „Wenn man jetzt meint, Leo der Vierzehnte wird es ein bisschen weiterführen müssen – nein, es geht eigentlich erst so richtig los“, so Schüller.
Frauen, Macht und das große Schweigen
Besonders ein Thema brennt dem Pfarrer unter den Nägeln: die Rolle der Frau in der katholischen Kirche. Als die Vatikan-Expertin Elise Anne Allen meinte, unter Papst Leo XIV. werde es keine Diakoninnen geben, platzte Schüller der Kragen: „Das hat mich ziemlich erschüttert.“
20 Jahre Stillstand – das drohe jetzt. Dabei tragen laut Schüller längst Frauen „drei Viertel bis vier Fünftel“ des kirchlichen Lebens. Und die offiziellen Begründungen gegen ihre Weihe? „Keine theologischen Argumente“, stellt er nüchtern fest. „Ich kenne keine andere Organisation, wo es noch ein Thema ist, ob Frauen hohe Ämter begleiten dürfen“, sagt er – und fordert: „Es muss anders werden. Nicht irgendwann. Jetzt!“
Europas Kirche kämpft an vorderster Front
Für Helmut Schüller ist Europa angesichts der vielen Kirchenaustritte nicht das Problem der Kirche – sondern ihr Prüfstein. „Die Kirche in Europa ist der vorgeschobenste Posten in die moderne Gesellschaft“, sagt er im ZIB2-Interview. Hier müsse sich die Kirche mit all jenen Fragen auseinandersetzen, „denen sie sich viel zu spät gestellt hat“.
Dass Papst Franziskus den Blick stärker auf den globalen Süden richtete, sieht Schüller kritisch. „Die Kirche, die in anderen Kontinenten wächst, ist auf dem Weg dorthin“, warnt er – dieselben Herausforderungen würden auch dort bald spürbar.Europa einfach abzuschreiben, sei keine Option: „Weil die Kirche in Europa da eine schwere Arbeit zu leisten hat – heißt es nicht, dass sie abzuschreiben wäre. Ganz im Gegenteil.“ Sogar eine kühne Prognose wagt der Pfarrer: „Ich versteige mich sogar zu der Behauptung, dass die Kirche in Europa mal als Vorkämpferin für Modernisierungsschritte gesehen werden wird.“