Die von Russland angegriffene Ukraine will keine anderen Sicherheitsgarantien als eine NATO-Mitgliedschaft akzeptieren
Am Tag eines Treffens der NATO-Außenminister in Brüssel erinnerte das Außenministerium in Kiew an die schlechten Erfahrungen mit dem fast 30 Jahre alten Budapester Memorandum. Der Kreml reagierte unverzüglich: Moskau betrachte eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als eine Bedrohung, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte betonte vor dem Außenministertreffen, dass die NATO-Verbündeten ihre militärische Unterstützung für die Ukraine aufstocken müssten, um die Position Kiews zu stärken, sollte es in Verhandlungen mit Moskau über ein Ende des Kriegs eintreten. “Wir werden alle mehr tun müssen. Je stärker unsere militärische Unterstützung für die Ukraine jetzt ist, desto stärker wird ihre Position am Verhandlungstisch sein”, sagte Rutte am Dienstag vor Journalisten im NATO-Hauptquartier. Auch der britische Premierminister Keir Starmer mahnte eine verstärkte Unterstützung der Ukraine ein.
Rutte: Putin hat kein Interesse an Frieden
Der russische Präsident Wladimir “Putin ist nicht an einem Frieden interessiert”, ergänzte der NATO-Chef. “Er setzt den Vormarsch fort und versucht, weitere Gebiete zu erobern. Er glaubt, dass er die Entschlossenheit der Ukraine und unseren Willen brechen kann, aber da irrt er sich”, betonte Rutte. Der neue ukrainische Außenminister Andrij Sybiha wird am Dienstag erstmals zu Gesprächen mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den NATO-Ländern in Brüssel erwartet.
“Wir sind überzeugt, dass die einzige wirkliche Sicherheitsgarantie für die Ukraine und eine Abschreckung weiterer russischer Aggression gegen die Ukraine und andere Staaten eine vollständige ukrainische NATO-Mitgliedschaft ist”, hieß es in der Erklärung des ukrainischen Außenministeriums. “Ausgehend von der bitteren Erfahrung mit dem Budapester Memorandum, werden wir keine Alternativen, keine Nachahmung und keinen Ersatz für eine vollständige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine akzeptieren.”
Das Außenamt in Kiew erinnerte daran, dass das Budapester Memorandum der Ukraine Garantien für die Sicherheit, Souveränität und territoriale Integrität im Gegenzug für den Verzicht auf das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt hätte bieten sollen. Doch diese Vereinbarung habe Russland nicht davon abgehalten, die Ukraine, die auf ihre Atomwaffen verzichtet hatte, anzugreifen.
Kreml erachtet NATO-Mitgliedschaft als “Bedrohung”
Peskow dagegen betonte, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine “absolut unserer Vorstellung von einer unteilbaren Sicherheit” widerspreche. “Daher wäre eine solche Entscheidung für uns potenziell inakzeptabel, da sie eine Bedrohung für uns darstellen würde. Sie würde auch nicht die Ursache für die gegenwärtigen Geschehnisse oder den Grund für die Umstände beseitigen, die uns zur Einleitung der militärischen Sonderoperation gezwungen haben”, erklärte der Kreml-Sprecher.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eine Beitrittseinladung zur Allianz gefordert, um die von Kiew kontrollierten Teile des Landes gegen Russland abzusichern. Kiew drängt die Verbündeten darüber hinaus zur Lieferung von Abwehrsystemen gegen die neuartige russische Hyperschallwaffe Oreschnik.
Bei einem Arbeitsabendessen soll es unter anderem um die Lage an der Front sowie den aktuellen Unterstützungsbedarf der Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland gehen. Die ukrainischen Truppen sind derzeit vor allem in der Ostukraine stark unter Druck und müssen nahezu täglich Positionen aufgeben.
Die Frage, wie groß die Chancen auf eine Beendigung des Krieges in der Ukraine sind, stellt sich derzeit vor allem vor dem Hintergrund des bevorstehenden Machtwechsels in den USA. In Brüssel wird nicht ausgeschlossen, dass Donald Trump als Präsident versuchen könnte, die Ukraine und Russland zu Verhandlungen zu drängen. Dafür könnte er zum Beispiel der Ukraine androhen, im Fall einer Verweigerungshaltung die Militärhilfe einzustellen. Russlands Präsidenten Putin könnte er hingegen in so einem Fall ankündigen, die Militärhilfe für Kiew noch einmal auszubauen.