Israel hat in der Nacht zum Dienstag die Waffenruhe mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas beendet und mehrere Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen.
Der Sprecher des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, Khalil Al-Deqran, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass bei den israelischen Luftangriffen am Dienstag mindestens 200 Menschen ums Leben gekommen seien.
Wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu erklärte, ist das Militär angewiesen worden, “energisch” gegen die Hamas vorzugehen. “Dies folgt auf die wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen, sowie auf ihre Ablehnung aller Vorschläge, die sie vom Gesandten des US-Präsidenten Steve Witkoff und von den Vermittlern erhalten hat”, hieß es in der Erklärung weiter. Israel werde von nun an wieder mit zunehmender militärischer Stärke gegen die Hamas vorgehen.
Der palästinensische zivile Rettungsdienst berichtete von mindestens 35 Luftangriffen auf den Gazastreifen. Laut palästinensischen Medizinern handelt es sich um die heftigsten Luftangriffe seit Beginn der Waffenruhe am 19. Jänner. Viele Kinder und auch der hochrangige Hamas-Vertreter Mahmoud Abu Watfa sollen getötet worden sein. Nach Angaben von Ärzten und Augenzeugen wurden drei Häuser in Deir Al-Balah im Zentrum des Gazastreifens, ein Gebäude in Gaza-Stadt sowie Ziele in Khan Younis und Rafah getroffen.
Weißes Haus vorab informiert
Das Weiße Haus teilte mit, über die Angriffe informiert worden zu sein. “Die Trump-Administration und das Weiße Haus wurden von den Israelis zu ihren Angriffen in Gaza heute Abend konsultiert”, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, in einem Interview mit Fox News. “Wie Präsident Trump deutlich gemacht hat, werden die Hamas, die Houthi, der Iran und all jene, die nicht nur Israel, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika terrorisieren wollen, einen Preis zu zahlen haben. Es wird die Hölle losbrechen”, sagte sie.
Im Jänner war zwischen Israel und der Hamas eine zunächst sechswöchige Waffenruhe vereinbart worden. Bisher konnten beide Seiten sich nicht auf die Konditionen für eine Verlängerung einigen. Washington startete bereits am Samstag eine neue Welle von Luftangriffen im Jemen, bei denen nach eigenen Angaben Dutzende von Mitgliedern der pro-iranischen Houthi-Miliz getötet wurden. Die Houthi erklärten, mindestens 53 Menschen seien getötet worden.
Noch 59 Geiseln in Hand der Hamas
Ein hochrangiger Vertreter der Hamas beschuldigte Israel, die Waffenruhevereinbarung einseitig aufgekündigt zu haben und fügte hinzu, das Schicksal der 59 Geiseln, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, sei nun ungewiss. Israel hatte mit einer Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren israelischen Geiseln freilassen. Auch während der Waffenruhe war es immer wieder zu tödlichen Angriffen im Gazastreifen gekommen. Die Hamas und andere Islamistengruppen im Gazastreifen haben nach israelischen Informationen noch 24 Geiseln und die Leichen von 35 Verschleppten in ihrer Gewalt.
In den vergangenen zwei Wochen hatte es immer wieder Gespräche über die Fortsetzung der Waffenruhe gegeben. Noch am Sonntag erklärte sich Israel bereit, die Gespräche unter bestimmten Bedingungen weiterführen zu wollen. Die Vermittler müssten aber auf einen US-Vorschlag zur Freilassung von elf Geiseln und zur Übergabe der Hälfte der Toten eingehen, teilte Netanyahus Büro zu diesem Zeitpunkt mit.
Keine Einigkeit bei Verhandlungen
Verhandlungsteams aus Israel und von der Hamas hatten sich in Doha aufgehalten, während Vermittler aus Ägypten und Katar versuchten, die Kluft zwischen den beiden Seiten nach dem Ende der ersten Phase der Waffenruhe zu schließen. Mit Unterstützung der USA hatte Israel auf die Rückgabe der restlichen 59 Geiseln gedrängt und im Gegenzug für eine längerfristige Waffenruhe angeboten, bei der die Kämpfe bis nach dem muslimischen Fastenmonat Ramadan und dem jüdischen Pessachfest im April eingestellt worden wären.
Die Hamas hatte jedoch darauf bestanden, Verhandlungen über eine dauerhafte Beendigung des Krieges und einen vollständigen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen aufzunehmen, wie es im ursprünglichen Waffenruheabkommen vorgesehen war. Jede Seite hat der anderen jedoch fortlaufend vorgeworfen, die Bedingungen des Waffenruheabkommens vom Jänner nicht eingehalten zu haben. Israel hatte beispielsweise Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert.
Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48.500 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Israel spricht von rund 20.000 getöteten Terroristen.