In Hamburg ist die Welt für Sozialdemokraten nach dem Wahldebakel vom Sonntag noch eine andere – in vielerlei Hinsicht: Hier wurde die SPD bei der deutschen Bundestagswahl trotz deutlicher Verluste mit knapp 23 Prozent wieder stärkste Kraft – was ihr sonst nur noch in Bremen gelang. Und hier schickt sie sich an, auch bei der bundesweit einzigen Landtagswahl in diesem Jahr als Sieger vom Platz zu gehen.
Nach der Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag hat Bürgermeister Peter Tschentscher Umfragen zufolge gute Chancen, den Stadtstaat auch in den kommenden fünf Jahren zu regieren – am wahrscheinlichsten mit den Grünen.
Umfragen sehen SPD und Grüne in Hamburg weiter vorn
Nach einer von der ARD in Auftrag gegebenen Infratest dimap-Umfrage vom vergangenen Freitag käme die SPD bei der Bürgerschaftswahl auf 32 Prozent. Die mitregierenden Grünen dürften mit 18 Prozent rechnen, dicht gefolgt von der CDU, die auf 17 Prozent käme. Linke und AfD erhielten jeweils zehn Prozent, alle anderen Parteien – darunter FDP, Volt und BSW – blieben unter der Fünf-Prozent-Hürde.
Umfragen haben auch gezeigt, dass die Mehrheit der Hamburger mit der Arbeit des rot-grünen Senats zufrieden ist. Und auch der Bürgermeister erfreut sich hoher Beliebtheit und kann auf den Amtsbonus setzen.
Hamburg seit jeher SPD-Hochburg – aber anders
Hamburg ist seit langem eine Hochburg der Sozialdemokraten. Seit 1957 – damals noch mit Bürgermeister Max Brauer – saß fast durchgehend ein Genosse auf dem Chefsessel im Rathaus – unterbrochen nur in den Jahren 2001 bis 2011, als die CDU unter Ole von Beust die Stadt regierte.
Dass die CDU es in Hamburg nicht leicht hat, liegt auch an einer traditionell wirtschaftsorientierten hanseatischen SPD. Bürgermeister Tschentscher sagt es so: “In Hamburg wählt der klassische CDU-Wähler SPD. Und die SPD Hamburg setzt das um, was die CDU verspricht, aber nicht hinbekommt.”
Tschentscher warnt vor instabilen Mehrheiten
Angesichts des “desaströsen Wahlergebnisses” seiner SPD am vergangenen Sonntag treibt Tschentscher auch für Hamburg die Sorge um stabile Mehrheiten um. Dass Hamburg bisher vielen als gutes Beispiel für eine funktionierende Koalition diene, sei “kein Selbstgänger”, warnt er. “Wir haben am Wahlsonntag gesehen, dass in diesem Land die politische Mitte zerbröselt.”
Er will Rot-Grün fortsetzen – “mit einem möglichst starken Anteil der SPD”. Als stärkerer Partner könne man nach der Wahl außerdem weitere Senatsposten beanspruchen. “Das hört sich jetzt für die Grünen offensiv an. Das ist auch so gemeint”, sagt er selbstbewusst.
Eine Zusammenarbeit mit den wohl auch in Hamburg stärker werdenden Linken zieht er nicht in Betracht, da die Partei angeblich gar nicht regieren wolle. Eine Koalition mit der CDU schließt Tschentscher zwar nicht aus, spricht ihr aber die Regierungsfähigkeit ab.
Grüne Fegebank will über Inhalte reden – Land nicht weiter spalten
Die Grünen-Spitzenkandidatin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank zeigt sich indes irritiert, “dass die SPD schon vor der Wahl sehr viel über Posten spricht”. Das sei nicht Stil der Grünen. “Wir sprechen über Inhalte. Wir sprechen darüber, wie wir Hamburg bezahlbarer machen, wie wir die Mobilitätswende weiter gut hinbekommen und wie wir mehr Klimaschutz in Hamburg packen”, sagte sie. “Wir brauchen eine Politik, die unsere Stadt und unser Land eint, statt weiter zu spalten.”
Bei den Linken zeigt man sich von der vom Bürgermeister unterstellten Regierungsunwilligkeit überrascht. Tschentscher verdrehe “vor lauter Angstschweiß” die Fakten, sagt Spitzenkandidatin Heike Sudmann. Wenn es in der neuen Bürgerschaft eine Mehrheit für eine wirklich soziale Politik gebe, “können wir gern reden”. Bisher sei das aber nicht in Sicht.
CDU sieht Chance auf stabiles Zweierbündnis ohne Grüne
CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering wies die Kritik des Bürgermeisters an seiner Partei zurück. Er könne verstehen, dass Tschentscher aufgrund des Ergebnisses der SPD bei der Bundestagswahl nervös sei. “Diese Niederlage gibt der SPD aber keinen Grund, den Hamburgerinnen und Hamburgern jetzt wenige Tage vor der Wahl Angst zu machen”, sagte der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende.
Für eine Zusammenarbeit mit der SPD zeigte er sich weiter offen. “Es wird die Möglichkeit für ein stabiles Zweierbündnis geben, jedoch muss das nicht zwingend mit den Grünen sein.”