Vor allem im Herbst und Winter fühlen wir uns müde, träge und depressiv. Manchmal kommen Gefühle aus dem Nichts. Von 0 auf 100 sind sie in ihrem ganzen Ausmaß da. Und dann? Was tun bei Angst, Trauer und Wut?
Wir können in Trauer versinken, vor Wut an die Decke gehen oder uns vor Angst nichts mehr trauen. Wir haben kaum Kontrolle darüber, was uns emotional werden lässt. Aber, und das ist viel wichtiger: Wir können lernen, Einfluss darauf zu nehmen, wie wir reagieren, wenn Gefühle in uns ausgelöst werden.
Die drei wichtigsten Emotionen in der Gefühlsbewältigung sind Angst, Wut und Trauer. Was besonders schwerfällt: Diese unangenehmen Gefühle zu verstehen und sie zu regulieren. Vanessa Graf, Psychologin und Emotionsexpertin, zeigt, wie es geht. Sie teilt acht Hacks aus ihrem Buch „44 Psychologie-Tools für alle Gefühlslagen“, mit denen wir die eigene Gefühlswelt besser verstehen und verändern können. So befreien wir uns von Impulsivität und Blockaden, finden Leichtigkeit und stärken das Selbstbewusstsein.
1. Was fühle ich?
- Dauer: 15–30 Minuten
- Wirksamkeit: kurz- und langfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Sie damit beginnen, sich eingehender mit Ihrer Gefühlswelt auseinanderzusetzen. Fällt es Ihnen möglicherweise schwer, ein bestimmtes Gefühl zu erkennen? Ist es ein Gefühl der Angst? Oder der Wut? Oder der Trauer? Diese Übung kann hilfreich sein, das Gefühl zu visualisieren.
SO GEHT’S:
Zeichnen Sie auf ein Blatt Papier einen Baum. Versuchen Sie, Ihre Gedanken dabei, so gut es geht, auszuschalten. Einfach drauflos zeichnen. Wählen Sie die Farben, Formen und Schattierungen, die Ihnen jetzt gerade in den Sinn kommen. Was für ein Gefühl könnte dieser Baum darstellen? Haben Sie Mühe, das Gefühl einzuordnen, legen Sie eine kurze Pause ein. Schauen Sie beispielsweise einige Minuten aus dem Fenster und widmen Sie sich dann erneut der Übung.
2. Impulsivität kontrollieren
- Dauer: 5 Minuten
- Wirksamkeit: kurz- und langfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Sie jemand sind, der oftmals überstürzt handelt. Dieses Tool hilft Ihnen, mehr Kontrolle über Ihre Reaktionen zu erlangen, um in kritischen Momenten ruhiger und reflektierter zu handeln.
SO GEHT’S:
Wählen Sie ein Objekt in Ihrer Umgebung aus, auf das Sie sich konzentrieren möchten. Setzen Sie sich einen Timer auf drei Minuten und lenken Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf das ausgewählte Objekt. Schauen Sie es sich ganz genau an und versuchen Sie, alles bis ins kleinste Detail wahrzunehmen. Schließen Sie anschließend die Augen und versuchen Sie, das Objekt in Gedanken zu beschreiben: Wie sieht es aus? Wie fühlt es sich an? Sollten Sie gedanklich abschweifen, richten Sie einfach Ihre Aufmerksamkeit erneut auf das Objekt.
3. Gedankenkarussell
- Dauer: 2-10 Minuten
- Wirksamkeit: kurzfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
zu starkes Grübeln oder „Was wäre, wenn“-Gedanken Angst und sogar Panik auslösen, obwohl Sie in diesem Moment vollkommen sicher sind und Ihnen eigentlich nichts passieren kann. Wenn Sie also merken, dass Sie sich in Ihren Gedanken verlieren, sollten Sie nicht warten, bis Ihre Gefühle Sie im Griff haben, sondern frühzeitig eingreifen.
SO GEHT’S:
Atmen Sie ein paar Mal tief ein und aus. Dann finden Sie nacheinander 5–4–3–2–1 Dinge in Ihrer Umgebung und nehmen Sie sie ganz in Ruhe und mit ausreichend Zeit wahr: 5 Dinge, die Sie sehen können. 4 Dinge, die Sie fühlen können. 3 Dinge, die Sie hören können. 2 Dinge, die Sie riechen können. 1 Ding, das Sie schmecken können. Tipps: Beim Riechen können Sie beispielsweise den Duft Ihres Duschgels auf der Haut wahrnehmen. Wenn Sie beim Schmecken nichts finden, achten Sie darauf, was Ihre Geschmacksknospen auf der Zunge gerade wahrnehmen.
4. Bauchatmung
- Dauer: 5 Minuten
- Wirksamkeit: kurzfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Durch Bauchatmung können Sie dem Körper helfen, zur Ruhe zu kommen. Wenn Sie sich gestresst, ängstlich oder wütend fühlen, können Sie sie dafür nutzen, über Ihren Körper Ihre gesamte Verfassung zu besänftigen.
SO GEHT’S:
Setzen oder legen Sie sich hin – eine Hand auf den Brustkorb und die andere Hand auf den Bauch. Schließen Sie Ihre Augen. Möchten Sie Ihre Augen lieber offen lassen, fixieren Sie einen ruhigen Punkt am Boden oder an der Wand, damit Sie nicht abgelenkt werden. Atmen Sie nun langsam durch die Nase in den Bauch hinein und fühlen Sie, wie sich der Bauch stärker ausdehnt als der Brustkorb. Atmen Sie dann durch den Mund wieder aus. Zählen Sie beim Ein- und Ausatmen innerlich „eins, zwei, drei, vier“ mit. Wiederholen Sie den Ablauf einige Minuten lang. Wenn Sie sich an das Tool gewöhnt haben, werden Sie spüren: Ihr Atem ist Ihr Anker.
5. Ihre innere Insel
- Dauer: 10–20 Minuten
- Wirksamkeit: kurzfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Besonders dann, wenn die Gegenwart belastend und erdrückend ist, kann es hilfreich sein, dass Sie sich eine kurze Auszeit nehmen, indem Sie sich gedanklich an einen schönen Ort „beamen“.
SO GEHT’S:
Schließen Sie Ihre Augen und stellen Sie sich eine kleine, unbewohnte Insel vor. Sie erreichen sie ganz leicht mit einem schwimmenden oder fliegenden Objekt. Nur Sie können die Insel sehen, daher werden Sie dort auch nie einer fremden Person begegnen. Wie sieht die Insel aus? Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen Sie? Was fehlt noch? Stellen Sie sich Ihre Insel ganz genau vor. Gestalten Sie sie ganz nach Ihren Wünschen. Sie können auch im Hintergrund leise Musik dazu hören. Sollten Sie etwas auf der Insel nicht mehr haben wollen, dann legen Sie es in ein Floß. Die Wellen werden es mitnehmen. Verweilen Sie auf Ihrer Insel, solange Sie möchten, bevor Sie Ihre Augen wieder öffnen.
6. Ein Brief an mich
- Dauer: 10-60 Minuten
- Wirksamkeit: kurz- und langfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Ihnen das Gefühl zu schaffen macht, dass etwas Wichtiges nicht ausgesprochen worden ist. Das kann ein Brief an eine verstorbene Person oder eine verflossene Liebe sein. Der Brief ist nur für Sie gedacht, nicht dafür, dass Sie ihn der Person schicken. Das Aufschreiben soll dabei helfen, Ihre Gedanken und Gefühle zu der Person zu ordnen.
SO GEHT’S:
Schreiben Sie auf ein Blatt Papier alles auf, was Ihnen wortwörtlich auf der Seele brennt. Nehmen Sie sich genügend Zeit dafür. Wenn Sie den Brief beendet haben, können Sie ihn verbrennen, vergraben oder an einem sicheren Ort aufbewahren. Das Entsorgen des Briefes kann sich zusätzlich befreiend anfühlen. Falls Sie jedoch das Gefühl haben, den Brief irgendwann wieder lesen zu wollen, können Sie sich auch für die dritte Option entscheiden. Wenn es gewisse Dinge gibt, die nicht geklärt werden konnten, können Sie sich vorstellen, dass die Person auf den Brief antwortet, und Sie dann wiederum auf ihren Brief antworten.
7. Kälteschock
- Dauer: 1-2 Minuten
- Wirksamkeit: kurzfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Sie haben das Gefühl, nicht wirklich „hier“ zu sein. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis und mit der Zeit fühlen Sie sich total überfordert, werden ängstlich oder wütend oder beides gleichzeitig. Mit einem sehr kalten Gegenstand wie einem Eiswürfel bewirken Sie einen kleinen „Schockmoment“, der Ihnen dabei hilft, wieder zurück in den gegenwärtigen Moment zu gelangen.
SO GEHT’S:
Halten Sie einen Eiswürfel in Ihrer Hand. Zunächst nur in einer Hand. Wie fühlt es sich am Anfang an? Wie lange dauert es, bis er anfängt zu schmelzen? Wie verändert sich das Gefühl, wenn das Eis zu schmelzen beginnt? Nehmen Sie den Eiswürfel dann in die andere Hand. Wie fühlt es sich nun in der Hand ohne Eiswürfel an? Wie fühlt es sich in der Hand mit Eiswürfel an? Hartgesottene steigen ins Eis. Beim Eisbaden wird der Körper extremen Temperaturen ausgesetzt. Er reagiert darauf mit der Ausschüttung von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen.
8. Wasser marsch!
- Dauer: 2-5 Minuten
- Wirksamkeit: kurzfristig
MACHEN SIE DAS, WENN…
Sie angespannt, nervös oder auch ängstlich sind. Durch Wasser können Sie Ihren Körper wieder bewusster wahrnehmen. Es „rüttelt“ Sie wach und bringt Sie in den gegenwärtigen Moment zurück.
SO GEHT’S:
Atmen Sie zwei, drei Mal langsam tief ein und wieder aus. Halten Sie dann Ihre Hände zunächst unter warmes Wasser. Nehmen Sie das angenehme Gefühl auf Ihrer Haut wahr. Wie fühlt es sich an? An Ihren Fingerspitzen, in Ihrer Handinnenfläche, auf Ihren Handrücken, usw. Fühlt es sich in jedem Teil Ihrer Hand gleich an? Nun halten Sie Ihre Hände unter kaltes Wasser. Was hat sich verändert? Wie fühlt es sich an? Wiederholen Sie das Ganze erneut unter warmem Wasser. Wie fühlt es sich dieses Mal an? Hat sich das Gefühl verändert? Wenn Sie dies beim Duschen am ganzen Körper vornehmen, nehmen Sie schon eine Wechseldusche. Diese hat positive Auswirkungen auf unsere Stimmung und unser Energielevel. Plus: Sogar das Immunsystem wird dadurch gestärkt.