Zwei Kroaten wurden nach Wien gelockt, gefesselt, die Gesichter zu Brei geschlagen und mit der Zerstückelung bedroht, um ihnen eine Million Euro abzupressen – die beiden Angeklagten sollen dem montenegrinischen Kavač-Clan angehören.
Wien. Am Straflandesgericht startete am Dienstag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen – neben der Justizwache waren auch Cobra und WEGA vor Ort – ein Prozess um eine erpresserische Entführung in Mafia-Kreisen. Angeklagt sind ein 39-jähriger Montenegriner und ein 50-jähriger Serbe.
Die Angeklagten sollen im März 2020 gemeinsam mit weiteren Mittätern zwei Kroaten im Alter von inzwischen 41 und 64 Jahren nach Wien gelockt und in einem angemieteten Appartement festgehalten haben. Die Männer wurden laut Anklage gefesselt, malträtiert und mit dem Umbringen bedroht, um zunächst den Vater des Jüngeren, später den 64-Jährigen zur Zahlung von einer Million Euro zu bringen. Die Entführten standen laut Anklage Todesangst aus. In dem Apartment, in das die Opfer gelockt wurden, erwarteten sie laut Anklage mehrere Menschen mit „Handsägen und Pistolen mit Schalldämpfern“. Der ganze Raum war mit Nylon ausgekleidet. Der Staatsanwalt fasste die Situation so zusammen: „Ihre schlimmsten Albträume werden wahr.“
Als der völlig eingeschüchterte 64-Jährige, der mit Zigarettenschmuggel im großen Stil seinen Lebensunterhalt bestritten haben dürfte, zusicherte, zumindest 750.000 Euro zu bezahlen, wurden die beiden Männer freigelassen. Daraufhin seien alle nach Zagreb gefahren, wo die Übergabe stattfinden hätte sollen. „Man fuhr getrennt, weil die Opfer so zugerichtet waren im Gesicht“, und dies bei den aufgrund der Covid-19-Pandemie geltenden strengeren Ausreiseregelungen zusätzlich Aufmerksamkeit erregt hätte. Außerdem hätten die Opfer gewusst, dass sie den Deal einhalten hätten müssen. In Zagreb seien schließlich 10.000 Euro übergeben worden. Die Opfer sollen im Laufe des heutigen Prozesses auch befragt werden, viel erhofft sich der Staatsanwalt davon aber nicht: „Schauen Sie einmal, wer da herinnen steht, wer da vor der Tür steht“, verwies er auf die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und die Bedrohung, der sich die Opfer ausgesetzt sehen, sollten sie die Täter belasten. Zentraler Punkt seien hingegen die Chats.
Staatsanwaltschaft: „Kennt man aus Serien“
Gleich zu Beginn skizzierte der Staatsanwalt die Gefährlichkeit des Kavač-Clans. „Da wird Suchtgifthandel in gewaltig großen Mengen betrieben.“ Daneben würde immer wieder versucht werden, Mitglieder des verfeindeten serbisch-montenegrinischen Škaljari-Clans auszuschalten. „Das kennt man aus Serien und dem Italien der 80er-Jahre, und so etwas wollte man in Wien auch etablieren.“
Auf die Angeklagten kam man nach länderübergreifenden Ermittlungen, in die neben dem Bundeskriminalamt serbische und kroatische Polizeibehörden eingebunden waren. Die Angeklagten haben nach ihrer Festnahme und Überstellung nach Wien von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich seither nicht zu den gegen sie gerichteten Vorwürfen geäußert. Belastet werden sie von der Kommunikation, die sie vor, während und nach den inkriminierten Tathandlungen mit vermeintlich abhörsicheren Krypto-Handys mit anderen Banden-Mitgliedern geführt hatten.
Die verschlüsselten Sky-ECC-Mobiltelefone konnten im Zuge von Ermittlungen gegen den Kavač-Clan sichergestellt werden. Die Chats liefen über einen Server in Frankreich, der in einer Kooperation von Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Frankreich geknackt werden konnte. In weiterer Folge konnten die Chats mit Hilfe des FBI entschlüsselt werden, was zur Aufdeckung der nun verfahrensgegenständlichen strafbaren Handlungen führte.