Laut dem Gutachter Peter Hofmann bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 33-Jährige in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werde.
Der letzte Tag des wohl schlimmsten Misshandlungsprozesses Österreichs ist angebrochen. Vorgeworfen wird der Mutter (33) ihren damals noch 12-Jährigen in ihrer Wohnung im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und über Monate hinweg gequält zu haben. Heute, Donnerstag, ist der Fall am Landesgericht Krems ins Finale gegangen. Zunächst wurden die beiden Beschuldigten ergänzend befragt, im Anschluss stand das psychiatrische Gutachten im Fokus. Urteile werden für die Nachmittagsstunden erwartet.
Im von Peter Hofmann erstellten psychiatrischen Gutachten wird der 33 Jahre alten Mutter eine “schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung” attestiert. Das Stadium der Unzurechnungsfähigkeit sei aber nicht erreicht, die Frau habe auch “nicht unter einem Wahninhalt” gehandelt. Die Steuerungsfähigkeit sei im Tatzeitraum zwar erheblich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen.
Mutter habe kein Empfinden für Situation
Vorliegend war laut Hofmann bei der Mutter zudem eine “schwere emotionale Störung”, die 33-Jährige habe “kein Empfinden mehr für die Absurdität dieser Situation” gehabt. Der Sachverständige sprach von einer “monströsen kriminellen Handlung über langen Zeitraum”. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 33-Jährige in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werde.
Ähnlich verhält es sich in Sachen Gefährlichkeit mit der 40-jährigen möglichen Komplizin. Die Beschuldigte sei aber stets zurechnungsfähig gewesen, konstatierte Hofmann. Falls sich die Zweitangeklagte tatsächlich wie in der Anklage vorgeworfen verhalten hat, deute das eindeutig auf “innerlich große Abgründe” und “mangelnde Empathie” hin. Für beide Frauen beantragte die Staatsanwaltschaft Krems zusätzlich zum Strafausspruch eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch.
Die Aussagen der beiden Angeklagten hatten einander im Prozessverlauf in vielen Teilen widersprochen. Am Donnerstag zeigte sich die Mutter zerknirscht und gab an, dass ihr “schrecklich leid tut, was passiert ist”. Sie wisse nicht, “wie es so weit kommen hat können” und bereute die Kontaktaufnahme mit der Zweitangeklagten. Die 40-Jährige wiederum unterstrich, dass ihr das gesamte Ausmaß der Handlungen nicht bewusst gewesen sei. “Den Fehler kann ich leider nicht mehr rückgängig machen, ich hätte da selber eingreifen müssen.” Sie entschuldigte sich unter Tränen beim 13-Jährigen und bei dessen Vater. Die Staatsanwältin ortete bei der 40-Jährigen indes widersprüchliche Aussagen. “Warum sollten wir Ihnen ein Wort glauben?”, stellte die Vertreterin der Anklagebehörde in den Raum.
Vorgeworfen wird der 33-jährigen Mutter und Alleinerzieherin, dass sie ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben soll. Zudem soll sie das Kind hungern haben lassen.
Festgenommen wurde die Frau am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Sie und die Kindesmutter waren über Jahre hinweg sozusagen ziemlich beste Freundinnen. Die Waldviertlerin soll der Erstangeklagten darüber hinaus wiederholt detailreiche Anweisungen zur Misshandlung des Kindes gegeben haben. Auch der Vorschlag, den Buben in die Hundebox zu sperren, soll von der 40-Jährigen gekommen sein. Von der Frau wurde das allerdings bestritten.
Zugespitzt hat sich die Sachlage von 20. bis 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Die Mutter dürfte den damals Zwölfjährigen bei geöffneten Fenstern mit kaltem Wasser übergossen haben. Die Körpertemperatur des abgemagerten Burschen senkte sich auf 26,8 Grad ab, der Zustand war lebensbedrohlich.
Die beiden Frauen telefonierten mehrmals, abends nahm die Zweitangeklagte schließlich Kontakt mit einer an sich nicht in den Fall involvierten Sozialarbeiterin auf und fuhr mit ihr gemeinsam zum Wohnort der Hauptbeschuldigten. An Ort und Stelle alarmierte die Mutter schließlich die Rettung, allerdings erst nach mehrfacher und eindringlicher Aufforderung der Sozialarbeiterin. Das Kind wurde in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt.
Körperlich geht es dem Buben nun wieder gut, er lebt bei seinem Vater. Eine Gutachterin sah beim 13-Jährigen aber die “Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird”. Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.
Beleuchtet wurde im bisherigen Prozessverlauf auch die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe. Nach zwei Gefährdungsmeldungen gab es am 28. Oktober und am 18. November 2022 unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn. Geortet wurden zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme gesehen. Die Kinder- und Jugendhilfe betonte im Vorjahr, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe nach Bekanntwerden des Falls ergeben habe, dass “alle Vorgaben eingehalten wurden”. Eine sechsköpfige, unabhängige Expertengruppe wurde eingesetzt. Ein Abschlussbericht soll kommende Woche der niederösterreichischen Landesregierung vorgelegt und im Anschluss auch öffentlich gemacht werden, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).
Die Mutter des Sohnes könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Diesen Anklagepunkt bestritt die 33-Jährige. Zu den Vorwürfen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie der Freiheitsentziehung bekannte sich die Waldviertlerin schuldig. Die Strafdrohung für die Mitangeklagte wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt bis zu 15 Jahre. Die 40-Jährige bekannte sich grundsätzlich schuldig, schränkte diese Verantwortung aber danach bei ihrer Befragung am Montag stark ein.