Heute noch nicht geküsst? Dann sollten Sie das unbedingt nachholen! Die Medizin hat Küssen nämlich als neues Supermittel entdeckt.
Jeder Kuss berührt. Nicht nur die besonders zarte Lippenhaut, sondern auch die Psyche und Physis der Küssenden. Und manchmal geht ein Kuss sogar unter die Haut der Zuschauenden. Britney Spears und Madonna küssten sich bei den MTV-Music Awards im Jahr 2003 in die Köpfe von mehreren Generationen. Der Kuss zwischen dem US-Soldat George Mendonsa und der Krankenschwester Greta Zimmer Friedman am New Yorker Times Square am Tag der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg ist sogar Teil der Geschichtsbücher – er steht stellvertretend für die Emotionen einer ganzen Nation. Ein Kuss berührt nicht nur, er hat auch immer eine Bedeutung. Wie die Wissenschaft mittlerweile weiß, ist ein Kuss für unsere Gesundheit sogar von enormer Relevanz.
Küssen: ein DNA-Check
Im Durchschnitt verbringen wir 76 Tage unseres Lebens mit Küssen. Im Vergleich dazu: Für Lachen verwenden wir lediglich 60 Lebenstage. Warum wir dem Schmusen mehr Zeit einräumen als dem Lachen? Das hat gleich mehrere gute Gründe, erklärt Dr. Julia Zwank, Professorin für Entwicklungspsychologie.
„Küssen“, so Dr. Zwank, „ist ein weltweit verbreitetes Verhalten, das in vielen Kulturen praktiziert wird. Die genauen Ursprünge des Küssens sind nicht vollständig geklärt, aber es gibt mehrere Theorien, die versuchen zu erklären, warum Menschen diese Praxis entwickelt haben. Eine Hypothese besagt, dass Küssen eine evolutionäre Basis haben könnte. In frühen menschlichen Gesellschaften könnte Küssen als Mittel zur Festigung sozialer Bindungen und zur Förderung der Paarbindung entstanden sein. Beim Küssen tauschen Partner chemische Signale aus, die helfen können, die genetische Kompatibilität zu beurteilen. Es wird angenommen, dass durch den Austausch von Speichel und Pheromonen wichtige Informationen über den Gesundheitszustand und die genetische Eignung des Partners oder der Partnerin übertragen werden. Forscher haben sogar festgestellt, dass die DNA des Partners oder der Partnerin nach einem intensiven Kuss selbst nach einer Stunde noch im Mund des anderen nachweisbar ist.“
Lippen und Zunge: sensible Sensoren
Möglichkeiten, Kontakt und DNA auszutauschen, gibt es unzählige, warum gerade Lippen und Zunge dabei so eine wichtige Rolle spielen, erklärt die Professorin so: „Die Lippen sind eine besonders empfindliche Region des menschlichen Körpers, da sie über zahlreiche Nervenenden verfügen, die sie extrem berührungsempfindlich machen. Ob dieser Sensibilität sind die Lippen ideal für den Austausch von Zärtlichkeiten und Intimität. Zudem befinden sich auf Lippen und Zunge viele sensorische Rezeptoren – weit mehr als auf der Haut. Die Nähe der Lippen zum Mund ermöglicht den Austausch von Pheromonen und anderen chemischen Signalen, die eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielen können.“
Transmittergewitter
Welche physiologischen Prozesse dabei im Körper ausgelöst werden, ist erstaunlich. Zwank erklärt: „Beim Küssen werden verschiedene Stoffe im Körper freigesetzt, darunter Neurotransmitter wie Dopamin, Oxytocin und Serotonin. Diese Substanzen sind mit Gefühlen von Glück und Bindung verbunden, fördern Lustempfinden und Zufriedenheit. Oxytocin, oft als ‚Liebes- oder Kuschelhormon‘ bekannt, stärkt soziale Bindungen und das Vertrauen zwischen Partnern und gibt auch ein Sicherheitsgefühl. Aktivitäten, die die Freisetzung von Oxytocin fördern, können das Glücksempfinden auf natürliche Weise steigern und Nähe fördern.“
Immunbooster
Küssen ist aber nicht nur ein Hormonrausch, sondern stärkt auch das Immunsystem durch den Austausch von Bakterien. Auf einem Quadratzentimeter Zunge befinden sich etwa eine Milliarde dieser winzigen Organismen. Beim innigen Küssen werden durch den Austausch von Speichel innerhalb kürzester Zeit 80 Millionen Bakterien übertragen. Der Kontakt mit den Mikroorganismen kann das Immunsystem stimulieren und dazu anregen, Antikörper zu produzieren. Antikörper sind Proteine, die spezifisch gegen bestimmte Krankheitserreger gerichtet sind und sie bekämpfen können. Ein regelmäßiger Austausch von Speichel, wie beim Küssen, kann das Immunsystem also trainieren und die Mundflora (Anm.: die Gesamtheit der in der Mundhöhle angesiedelten Mikroorganismen) wird gestärkt. Ob das auch der Zahngesundheit bzw. dem Zahnfleisch hilft? Das konnte bis dato nicht eindeutig belegt werden. Aber ein gutes Mundmikrobiom ist jedenfalls immer ein Booster für die Gesundheit.
Küssen macht glücklicher als Einkaufen
Während wir uns also dem Kuss hingeben, wird unser Belohnungssystem aktiviert. Es können sehr intensive Glücksgefühle entstehen, die das Belohnungssystem – ähnlich wie beim Erwerb materieller Dinge – stimulieren. Küssen schneidet dabei vom Nachhaltigkeitsfaktor weitaus besser ab als Kaufen. Materielle Dinge aktivieren das Belohnungszentrum nämlich nur kurzfristig. Körperliche Nähe wie Küssen hingegen hält die Glücksgefühle länger hoch. Aber damit nicht genug: Mehrere kleinere Studien deuten darauf hin, dass beim Küssen bestimmte Hirnareale stimuliert werden, die die Depression in Schach halten können. Eine Stimulation dieser Areale könnte möglicherweise ein vielversprechendes zukünftiges Therapiekonzept bei schweren, therapieresistenten Depressionen darstellen. Derzeit wird noch geforscht.
Apropos psychische Gesundheit: Küssen ist der beste Stresskiller. Und wer es versteht, regelmäßig Anspannung abzubauen, verlängert sein Leben. Denn chronischer Stress macht dick, schadet dem Herz-Kreislaufsystem, fördert Stoffwechselstörungen (Achtung: Diabetes!), Verdauungsprobleme, Entzündungskrankheiten, psychische Erkrankungen und sogar Allergien. „Studien“, so Dr. Zwank, „haben gezeigt, dass Küssen helfen kann, die Cortisolspiegel im Körper zu senken – das sind die ‚Stresshormone‘, die bei vielen Menschen chronisch erhöht sind und zu Angstzuständen führen können. Küssen hilft dabei, die Ausschüttung dieses Hormons zu reduzieren und damit die Stresspegel zu senken.“
Wie lang ist lang genug?
Es gibt unzählige Arten zu küssen, und wie man am besten küsst, ist natürlich Geschmackssache und auch von der Kultur geprägt. Doch wie man am gesündesten küsst, das ist wissenschaftlich erforscht. Prof. Zwank erklärt: „Forscher empfehlen den 6-Sekunden-Kuss. Dabei wird besonders viel Oxytocin freigesetzt. Dieses Hormon kann ein Gefühl von psychologischer Sicherheit, Nähe und Bindung erzeugen.“ Im Idealfall küsst man zweimal am Tag über 6 Sekunden. Tipp: Abschieds- und Begrüßungsbussi zum innigen Ritual werden lassen.
Fazit: Ein regelmäßiger Kuss kann laut Expertin als medizinische Maßnahme betrachtet werden und sollte daher nicht vernachlässigt werden! Jede Berührung der Lippen bedeutet also ein wenig mehr Glück, Sicherheit und Stärke auf körperlicher sowie auch psychischer Ebene. Heute schon geküsst?