Dem 60-Jährigen, der aufgrund seines markanten weißen Bartes in der Justizanstalt Josefstadt “Weihnachtsmann” genannt wird, wurde am Montag am Landesgericht Wien wegen Mordversuchs der Prozess gemacht. Es drohen ihm bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Haft.
Der Vorfall ereignete sich am 29.Juli, einem lauen Sommerabend im Sigmund-Freud-Park. Die beiden Freunde hatten sich vor der Votivkirche getroffen und Alkohol getrunken. Zu vorgerückter Stunde tanzten sie zur Musik, die eine Gruppe junger Burschen und Frauen abspielten, die sich in die Wiese gelegt hatten und feierten. Im Zuge dessen kam es laut Anklage aus nichtigem Anlass zu einer wechselseitigen Prügelei zwischen dem Angeklagten und dem späteren Opfer.
Der “Weihnachtsmann” stieß den 55-Jährigen schließlich in ein Gebüsch. Dabei habe es sich um einen “Judo-Wurf” gehandelt, betonte der Angeklagte vor den Geschworenen. Er habe seinerzeit Kampfsport betrieben und es in jüngeren Jahren zum braunen Gürtel gebracht. Auf die Frage, weshalb er dann keine weitere Judo-Technik angewendet und stattdessen zugestochen hätte, als der Widersacher nicht von ihm abließ, antwortete der 60-Jährige: “Es war eine völlig falsche und übertriebene Notwehr.” Er habe aufgrund der lang anhaltenden Schlägerei “auch schon Kopfweh” gehabt. “Das kann aber vom Wein gewesen sein”, wandte die vorsitzende Richterin ein.
Auf die Frage der vorsitzenden Richterin, weshalb er mit einem Messer bewaffnet gewesen sei, erwiderte der Angeklagte: “Das ist eine schlechte Angewohnheit, seit ich Fiaker bin.” Erlernt hatte der 60-Jährige den Beruf des Hafners und Kachelofenbauers, als späterer Fiakerfahrer habe er es “zum bronzenen Fahrabzeichen gebracht”, erläuterte er den Geschworenen. Zuletzt sei er diesem Beruf aber nicht mehr nachgegangen: “Es gibt schon Gründe, warum ich dort nicht mehr glücklich bin. Das Milieu ist teilweise schon kriminell.”
Er habe den Kontrahenten, der zunächst einen Freund beschimpft und beleidigt und sich dann mit ihm geschlagen hätte, mehrfach zu Boden befördert, schilderte der 60-Jährige.
Der 55-Jährige sei jedoch immer wieder aufgesprungen und stetig aggressiver geworden: “Ich war schließlich in einem Erschöpfungszustand. Ich hab’ gespürt, dass mich die Kondition verlässt. Da hab’ ich Angst bekommen.” Er habe befürchtet, “zusammengeschlagen” zu werden, betonte der “Weihnachtsmann”: “Da hab’ ich falsch reagiert und hab’ ihm das Messer in den Bauch gestochen. Ich hab’ gehofft, er hört endlich auf und ist eingeschüchtert.” Auf die Frage, wie oft er denn zugestochen habe, erwiderte der bisher Unbescholtene: “Es wird fünf Mal gewesen sein. Ich hab’ aber nicht gezählt. In dem Moment, wo er aufgehört hat, hab’ ich sofort aufgehört.” Der “Angestochene” habe ihn “noch vorwurfsvoll angeschaut”, da sei er “in Panik geflüchtet.”
Opfer lebensgefährlich verletzt
Der 55-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt. Die Klinge des Klappmessers drang ihm zwei Mal in den linken Brustkorb, wobei der Brustkorb eröffnet wurde und ein Stichkanal bis an das dem Herzen vorgelagerte Fettgewebe reichte. Das Herz selbst wurde nicht beschädigt. Ein Stich ging in die rechte Brust, der ebenfalls die Brusthöhle eröffnete und einen Pneumothorax – eine Ansammlung von Luft zwischen Lunge und Brustwand – bewirkte. Zwei weitere Stiche eröffneten die Bauchhöhle, durchsetzten die Bauchmuskulatur und erreichten die Dickdarmschlinge, wobei diese unbeschädigt blieb.
Der von der Wiener Rechtsanwältin Anita Schattner vertretene Angeklagte hatte sich Ende August freiwillig auf einer Polizeiinspektion gestellt. Davor war mit einem Foto, das eine Zeugin der Tat aus Unterhaltsamkeitserwägungen vom “Weihnachtsmann” kurz vor der Messerstecherei im Sigmund-Freud-Park aufgenommen und auf TikTok gepostet hatte, per medialer Veröffentlichung nach ihm gefahndet worden. Aufgrund seiner auffallenden Erscheinung war dem 60-Jährigen wohl klar, dass er erkannt und als der gesuchte Messerstecher identifiziert werden würde.