Nachdem es diese Woche zwischen FPÖ und ÖVP schon etwas gerumpelt hat, teilt die FPÖ nun kräftig gegen ÖVP-Chef Christian Stocker aus.
Dieser hatte von der FPÖ eine Kurskorrektur gefordert. Nachdem bereits blaue Landesparteichefs Stocker heftig kritisierten, meldete sich am Samstagnachmittag auch FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Wort. „Im Zuge der aktuellen Regierungsverhandlungen ist auch viel von gegenseitigem Vertrauen die Rede. Es ist daher umso erstaunlicher, solche Aussagen von Herrn Stocker in den Medien zu lesen“, schreibt der Parteichef auf Facebook.
„Eigentlich würde man sich erwarten, dass ein Verhandlungspartner – in unserem Fall die ÖVP – zuerst mit uns über ihre Absichten spricht. Leider wählte man hier einen gänzlich anderen Weg…“, so Kickl weiter.
Stocker hatte am Donnerstagnachmittag Journalistinnen und Journalisten zu einem Hintergrundgespräch eingeladen, das die Innenpolitik-Seiten der Samstagszeitungen füllte. Er hatte dabei von der FPÖ eine Bewegung “vom rechten Rand in die Mitte” verlangt, ansonsten werde sich eine Regierung mit der ÖVP nicht ausgehen. Ein klares Bekenntnis zur EU, die liberale Demokratie, Medienfreiheit und der Kampf gegen Antisemitismus müssten gewährleistet sein.
Kunasek: “Unzulässige Standortbestimmung”
In der FPÖ kam das jedenfalls gar nicht gut an: Aus mehreren Bundesländern meldeten sich am Samstag die FPÖ-Chefs, die dort auch teils mit der ÖVP regieren, mit harscher Kritik zu Wort. Stocker habe “nicht nur eine unzulässige Standortbestimmung über die Freiheitliche Partei” getroffen, sondern der ÖVP-Chef “gefährdet auch die Gesprächsbasis für konstruktive Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung”, warnte etwa die steirische FPÖ. “Zu ernst gemeinten Verhandlungen gehört, dass beide Partner sich im Rahmen von vertraulichen Gesprächen austauschen und sich nicht über Medien und andere Dritte gegenseitig Standpunkte ausrichten”, meinte Landeshauptmann Mario Kunasek.
“Die ÖVP muss auch auf Bundesebene lernen, Wahlergebnisse zu akzeptieren und einsehen, dass sie nicht mehr die stärkste Kraft in diesem Land ist und daher auch zu Kompromissen bereit sein muss”, mahnte Kunasek. Es sei nachvollziehbar, dass sich Stocker wohl angesichts seiner bevorstehenden Wahl zum Bundesparteiobmann der ÖVP Ende März “mit öffentlichkeitswirksamen Kanten gegen die Freiheitlichen zu positionieren versucht”, doch “parteitaktische Überlegungen” dürften “niemals über dem Wohle Österreichs stehen”.
ÖVP: “Kühlen Kopf bewahren”
Die ÖVP versuchte, betont gelassen auf das blaue Gewitter zu reagieren: Alle sollten einen “kühlen Kopf bewahren”, empfahl Generalsekretär Pröll in einer schriftlichen Stellungnahme. Es sei klar, dass die Volkspartei die Mitte repräsentiere. “Ob sich ÖVP und FPÖ in der Mitte treffen können, werden die Verhandlungen zeigen.”
Svazek: ÖVP muss “die geänderten Vorzeichen akzeptieren”
Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek hatte Stocker zuvor ebenfalls einen “medialen Alleingang” vorgeworfen. “Wer ernsthaft und seriös verhandeln will, der tut das im dafür vorgesehenen Rahmen.” Sie lehne “das etwaige Ausrichten von Positionen oder Ergebnissen über die Medien strikt” ab, ließ die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin und Vizeparteichefin im Bund, die auch in Wien mitverhandelt, Stocker wissen.
Die ÖVP sei am 29. September “eben nicht zur stärksten Partei gewählt worden” und werde “die geänderten Vorzeichen akzeptieren müssen”, richtete Svazek ihrerseits aus. “Das Ausrichten, wer sich wohin bewegen müsse”, bringe “auch als Juniorpartner keinen Verhandlungsvorteil, im Gegenteil”. Die FPÖ wolle Verantwortung übernehmen und werde “auch weiterhin ernsthafte und konstruktive Diskussionen in den Verhandlungsgruppen führen”, meinte sie. “Wer es ernst mit einer künftigen Zusammenarbeit im Sinne der Österreicher meint, der arbeitet daran am Verhandlungstisch.”
Landbauer: “Verhandelt wird am Verhandlungstisch”
“Wir stehen zu unseren Prinzipien”, betonte auch der niederösterreichische Landesparteichef und Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer. Alles andere wäre “Verrat am Wähler und dafür sind wir nicht zu haben”. Die ÖVP müsse “endlich verstehen, dass die FPÖ durch diese Ehrlichkeit die Nationalratswahl gewonnen hat und dass das jetzt exhumierte Nehammer-Wording der ‘angeblichen’ Mitte abgewählt wurde”, polterte er. “Verhandelt wird am Verhandlungstisch.”
Nepp: “Der Wahlkampf ist vorbei”
Die ÖVP werde ihre neue Rolle erst finden, die FPÖ stehe “längst staatspolitisch in der Mitte”, befand auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp. “Der Wahlkampf ist vorbei”, jetzt sei die “Zeit von seriösen Verhandlungen”, meinte er. “Politische Verhandlungen gehören an den Verhandlungstisch und nicht in die Zeitungsspalten. Wer ernsthafte Lösungen anstrebt, muss direkt und sachlich kommunizieren, anstatt über die Öffentlichkeit Stille Post zu spielen.”
“Manche Parteien scheinen aus ihren herben Niederlagen der letzten Monate nichts gelernt zu haben”, hieß es aus der burgenländischen FPÖ. “Stille Post oder Hinterzimmergespräche über die Bande schaden in Wahrheit nur der ÖVP selbst und bringen unser Land gleichzeitig keinen Millimeter weiter.” Die FPÖ sei “längst in der Mitte angekommen”, glaubt auch der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig. “Es ist höchste Zeit, dass die Volkspartei ihre neue Rolle als Verhandlungspartner nicht nur versteht, sondern auch ernst nimmt.”