Vor fast 25 Jahren kündigte der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Privatisierung der Bundeswohnungen an. Nach dem Verkauf folgten Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die im Dezember 2020 in einem nicht rechtskräftigen Urteil von acht Jahren Haft für Grasser endeten. Eine Chronologie:
4. Februar 2000 – Der FPÖ-Politiker Grasser wird Finanzminister in der schwarz-blauen Regierung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP).
Juli 2000 – Der FPÖ-nahe Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech wird Aufsichtsratspräsident der Buwog.
September 2000 – Grasser kündigt den Verkauf von ca. 60.000 Bundeswohnungen (Buwog, WAG …) an.
September 2002 – Die US-Investmentbank Lehman Brothers erhält den Auftrag zur Durchführung der Privatisierung der Bundeswohnungen und kassiert dafür 10,6 Mio. Euro.
Juli 2003 – Der Nationalrat genehmigt den Verkauf der 62.000 Wohnungen, sie sollen “bestmöglich” veräußert werden.
15. Juni 2004 – Die Republik verkauft die Bundeswohnbaugesellschaften an ein “Austro-Konsortium” (Raiffeisen Landesbank OÖ, Immofinanz, Wiener Städtische/VIG, Oberösterreichische Landesbank und Oberösterreichische Versicherung) um 961 Mio. Euro. Die unterlegene CA Immo bot nur knapp weniger mit 960 Mio. Euro.
2006 – Grasser genehmigt den Einzug der Finanzbehörde in das Linzer Bürohaus Terminal Tower.
11. Jänner 2007 – Grasser beendet seine zweite Amtszeit als Finanzminister.
März 2007 – Der Rechnungshof kritisiert die Privatisierung der Bundeswohnungen, sie seien zu billig verkauft worden.
September 2009 – Medien berichten, dass im Zuge von Hausdurchsuchungen bei der Immofinanz dubiose Zahlungen von 9,6 Mio. Euro an den Lobbyisten Peter Hochegger in den Unterlagen gefunden wurden, es sei ein Erfolgshonorar bei der Buwog-Privatisierung gewesen. Ex-FPÖ-Generalsekretär und Lobbyist Walter Meischberger und Hochegger erstatten Selbstanzeige, weil sie das Geld nicht versteuert hatten.
Oktober 2009 – Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser zeigt Hochegger, Meischberger, Grasser und Plech bei der Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdachts an.
Jänner 2010 – Medienberichte zu Korruptionsverdacht gegen Grasser bei der Einmietung der Finanzbehörde in den Linzer Terminal Tower – 200.000 Euro flossen an Meischberger und Hochegger.
September 2010 – Erste Einvernahme Grassers bei der Staatsanwaltschaft zum Thema Buwog.
Mai 2011 – Hausdurchsuchungen bei Grasser an mehreren Wohnorten.
April/Mai 2012 – Grasser weist im Anti-Korruptions-U-Ausschuss des Parlaments alle Vorwürfe zur Buwog-Privatisierung zurück.
Jänner 2013 – Nach über eineinhalbjährigem Rechtsstreit werden die in Liechtenstein bei einem Treuhänder Grassers beschlagnahmten Akten an die Wiener Staatsanwaltschaft übergeben.
Jänner 2014 – Nach über zweijähriger Wartezeit werden hunderte Kontoauszüge aus der Schweiz an die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft geliefert.
Juli 2016 – Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Grasser, Meischberger, Hochegger, Plech und 12 weitere wegen Korruptionsverdachts bei der Buwog-Privatisierung und beim Linzer Terminal Tower.
April 2017 – Die weit über 800 Seiten umfassende Anklage ist rechtskräftig, das Oberlandesgericht Wien weist die Einsprüche großteils ab. Nur die Anklage gegen Michael Ramprecht wegen der umstrittenen Vergabe an die Investmentbank Lehman Brothers wird zurückgezogen, damit verbleiben 15 Angeklagte.
12. Dezember 2017 – Der Prozess gegen Grasser, Meischberger, Hochegger, Plech und elf weitere Angeklagte beginnt unter großem Medieninteresse im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Richterin Marion Hohenecker ist Vorsitzende des Schöffensenats. Es geht um vermeintliche Korruption bei der Bundeswohnungsprivatisierung und beim Linzer Terminal Tower.
15. Dezember 2017 – Hochegger bekennt sich teilschuldig. Er belastet die anderen Angeklagten massiv. Er habe im Nachhinein erfahren, dass von der Millionenprovision bei der Buwog ein Teil an Grasser und ein Teil an Plech ging, legt sein Anwalt dar.
19. Juni 2018 – Am 41. Verhandlungstag kommt erstmals der Hauptangeklagte Grasser zu Wort. Er weist alle Vorwürfe zurück, es habe nie Korruption oder einen “Tatplan” gegeben.
20. Juni 2018 – 42. Verhandlungstag. Das Anklagefaktum Telekom wird in den Prozess einbezogen. Dabei geht es um angebliche “Schwarze Kassen” der Telekom und Parteienfinanzierung.
30. Jänner 2019 – Am 73. Verhandlungstag geht es um die Villa von Meischberger, in dem Zusammenhang ist er wegen Betrugs angeklagt. Meischberger musste Geld für eine Steuerschuld aus der Buwog-Provision auftreiben und verlor im Zuge dessen in einem jahrelangen Rechtsstreit sein Döblinger Haus an den Geldgeber.
5. März 2019 – Am 80. Verhandlungstag wird erstmals Grassers früherer Kabinettschef Heinrich Traumüller befragt, der den Minister entlastet, es habe keine Korruption gegeben. Es folgen viele weitere Befragungen von Traumüller zur Privatisierung der Bundeswohnungen.
6. März 2019 – Am 81. Verhandlungstag wird Grassers ehemaliger Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht befragt, der Grasser belastet, die Privatisierung sei ein abgekartetes Spiel gewesen.
24. Juli 2019 – Am 102. Verhandlungstag belastet der Zeuge Willibald Berner, Ex-Kabinettschef von FPÖ-Minister Michael Schmid, die Angeklagten. Hochegger habe ihm im Jahr 2000 von einem Tatplan zur Bereicherung bei Privatisierungsprojekten erzählt, was Hochegger bestreitet.
8. Oktober 2019 – Am 112. Verhandlungstag wird Ex-ÖBB-Chef und Ex-Porr-Vorstand Michael Huber als Zeuge befragt. Er sagt, ihm wurde beim Projekt Linzer Terminal Tower von einer 700.000-Euro-Provisionsforderung von Plech erzählt. Plech hatte das immer bestritten.
28. Jänner 2020 – Am 133. Tag hat der Kronzeuge in den bisherigen Telekom-Prozessen, Gernot Schieszler, seinen Auftritt im Zeugenstand. Er vermisst die Empfänger der Telekom-Gelder, die Politiker, auf der Anklagebank.
29. September 2020 – Tag 161: In der Causa Telekom wird der mitangeklagte Ex-Telekom-Manager und frühere ÖVP-Organisationsreferent Michael F. vom Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen.
13. Oktober 2020 – Tag 166: Die Staatsanwälte sehen die Schuld der Angeklagten bewiesen, niemand stehe über dem Gesetz, betonten Alexander Marchart und Gerald Denk.
14. Oktober 2020 – Tag 167: Die Verteidiger von Grasser, Manfred Ainedter und Norbert Wess, betonen in ihren Schlussplädoyers die Unschuld ihres Mandanten. Die Staatsanwaltschaft habe keine Tathandlung von Grasser beweisen können.
4. Dezember 2020 – Der Schöffensenat unter Vorsitz von Hohenecker verurteilt Grasser im Buwog-Strafprozess zu acht Jahren Freiheitsstrafe. Ex-FPÖ-Generalsekretär und Ex-Lobbyist Meischberger fasst sieben Jahre Haft aus und der frühere Lobbyist Hochegger wird zu sechs Jahren Haft verurteilt. Ex-Immofinanz-Vorstand Karl Petrikovics und Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer werden zu zwei Jahren bzw. vier Monaten Haft verurteilt. Grasser und die anderen Verurteilten gehen in Berufung.
28. Jänner 2022 – Das Urteil liegt schriftlich vor: Richterin Marion Hohenecker begründet es auf 1.300 Seiten.
6. Juli 2023 – Grasser und vier weitere Angeklagte des Buwog-Prozesses blitzen beim Verfassungsgerichtshof(VfGH) mit ihren Anträgen ab. Die Anträge betreffen die vermeintliche Befangenheit der Richterin und die Hemmung von Verjährungsfristen.
27. Mai 2024 – Die Generalprokuratur legt ihre Stellungnahme zum Urteil von Dezember 2020 vor. In dieser empfiehlt die höchste Staatsanwaltschaft der Republik dem Obersten Gerichtshof (OGH), die erstinstanzlichen Schuldsprüche im Kern zu bestätigen und nicht an den zentralen Punkten zu rütteln.
20. März 2025 – Beginn des Berufungsverfahrens vor dem OGH.