Trotz des Ukraine-Kriegs gibt es ein besonderes historisches Ereignis, das die zwei Konflikt-Parteien Russland und die Ukraine zusammenhalten könnte – doch dies lehnen beide Seiten diplomatisch ab. Am Schwarzenbergplatz konnte man die gespaltene Veranstaltung live mit sehen.
Ukrainische und russische Diplomaten haben am Sonntag am Schwarzenbergplatz in Wien getrennt an den 80. Jahrestag der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee erinnert: Nach einer Kranzniederlegung am sowjetischen Heldendenkmal durch die ukrainische Botschaft am frühen Vormittag, kamen um 11 Uhr mehr als 200 Personen zu einer von der russischen Botschaft veranstalteten Kranzniederlegung, an der sich auch Vertreter von sieben weiteren GUS-Staaten beteiligten.
„Unser Anliegen ist, dass wir Ukrainer hier unserer Vorfahren gedenken, die an der Befreiung von Wien teilnahmen“, kommentierte der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez. Im Gespräch mit der APA verwies er dabei auf eine aktuelle Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung, die mehr als 11.000 aus der Ukraine gebürtige Kriegstote zählte. Auch an der Befreiung von Wien seien Ukrainer überproportional hoch beteiligt gewesen.
Ukrainische Kritik an russischer Instrumentalisierung von 1945
Die Kranzniederlegung am Schwarzenbergplatz interpretierte Chymynez im Kontext einer europäischen Gedenkkultur, die auf das Schicksal von Menschen fokussiere. Wichtig sei dabei, dass die Erinnerung nicht für eine weitere Militarisierung der Gesellschaft missbraucht werde. In diesem Zusammenhang verwies der Botschafter auf den in Russland häufig verwendeten Slogan „Wir können das (den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg, Anm.) wiederholen“.
Anwesend war am Sonntagvormittag als Privatperson auch der außenpolitische Sprecher der NEOS im Parlament, Veit Dengler. Die Ereignisse von 1945, wo aus österreichischer Sicht Gott sei dank eine Diktatur eine andere Diktatur in die Knie gezwungen habe, seien die Grundlage für das europäische Friedensprojekt der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union gewesen, erklärte Dengler. Nachdem Russland vor drei Jahren den Grundsatz des europäischen Zusammenlebens von „Nie wieder Krieg“ gebrochen habe, sei es sehr nötig, sich mit der Ukraine zu solidarisieren, kommentierte der Parlamentarier gegenüber der APA.
Russische Staatsmedien dokumentierten Kranzniederlegung
Deutlich größer als die ukrainische Zeremonie mit etwa 30 Personen erwies sich am späten Vormittag die russische Veranstaltung, bei der neben Russlands Spitzendiplomaten in Wien auch Belarus, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan mit Botschaftern sowie Armenien mit einem hochrangigen Diplomaten vertreten waren. Mitarbeiter der Botschaft montierten eine improvisierte Ausstellung mit historischen Fotos aus dem Jahr 1945, vor Beginn der Niederlegung weiterer Kränze und vieler Blumen wurde auch der ukrainische Kranz etwas auf die Seite bewegt.
Dass die Zeremonie aus Moskauer Perspektive relevant war, ließ sich am Sonntagvormittag insbesondere auch durch die Präsenz russischer Staatsmedien erkennen. Die für ihre propagandistischen Beiträge bekannten Fernsehsender RT und Rossija 1 hatten eigens Mitarbeiter nach Wien entsendet, um berichten zu können. Botschafter Dmitri Ljubinski nützte die Gelegenheit, um einmal mehr Kritik am offiziellen Österreich zu üben.
Russische Kritik an fehlendem österreichischen Interesse am 13. April
„Zu unserem großen Bedauern scheint unter den aktuellen politischen Umständen das Datum der legendären Befreiung von Wien durch Soldaten der Roten Armee im politischen Kalender der Republik Österreich zu fehlen“, sprach er in die Mikrofone russischer Sender. Seit Beginn der „militärischen Spezialoperation“ (Überfall auf die Ukraine im Februar 2022, Anm.) werde die russische Botschaft nicht mehr zu offiziellen Veranstaltungen eingeladen und dies beziehe sich auch auf Termine zum 80. Jahrestag des Kriegsendes.
Vor eigenen Veranstaltungen sende man jedoch Verbalnoten an das österreichische Außenministerium, in denen um die Gewährleistung der Sicherheit ersucht werde. Für diese Fragen sei jeweils das österreichische Innenministerium verantwortlich und hier gebe es keinen Grund zur Klage, erzählte der russische Botschafter.
Botschaftsnahe Russen-Community feierte mit Folklore
Nach der Veranstaltung der Botschaft feierten schließlich am Nachmittag ebenso am Schwarzenbergplatz auch noch knapp 200 in Österreich lebende Russinnen und Russen den Anlass. Organisiert vom mit der russischen Botschaft vernetzten Verein „Menschen in Resilienz“ traten dabei folkloristische Musikgruppen auf und sorgten für Sowjetnostalgie bei einem eher älteren Publikum.
Als Höhepunkt erzählte der ehemalige sowjetische Journalist Fjodor Redlich, Jahrgang 1936 und Sohn eines in die Sowjetunion geflohenen sozialdemokratischen Schutzbündlers, Geschichten über das Kriegsende. Ein Poet namens Wiktor Klykow gab zudem ein zum Anlass verfasstes Gedicht, in dem Russland als „großer Macht“ beschworen wurde. Wortkarg gab sich indes der Veranstalter selbst: Der aus Russland gebürtige Dmitri Korenew, der 2022 bei einem umstrittenen Wiener Polizeiseminar über ukrainischen Nationalismus doziert hatte und zuletzt erfolglos bei den Wirtschaftskammerwahlen für den ÖVP-Wirtschaftsbund kandidiert hatte, wollte der APA auf Nachfrage keine Auskünfte zur Veranstaltung geben.