Die EU-Gesundheitsminister empfehlen, das Rauchen im Freien an schützenswerten Orten zu verbieten. Wir fragten Krebshilfe-Geschäftsführerin Martina Löwe, wie schädlich es wirklich ist.

Nach Angaben der EU-Kommission fordert Tabakkonsum in der Europäischen Union jedes Jahr 700.000 Menschenleben – Zehntausende davon wegen Passivrauchens. Die EU-Gesundheitsminister:innen fordern daher einen strengeren Nichtraucher:innenschutz und sprechen sich für Rauchverbote an schützenswerten Orten im Freien, wie etwa auf Spielplätzen, in Freibädern, Parks, auf Weihnachtsmärkten, bei Haltestellen und in Bahnhofsbereichen oder in der Außengastronomie aus. Ob diese Empfehlung umgesetzt wird, kann jedes Land selbst entscheiden. In Mailand tritt das Rauchverbot im Freien bereits ab dem 1. Jänner 2025 in Kraft.

Ziel ist es Nichtraucher und Kinder dadurch zu schützen. Die Empfehlung richtet sich nicht nur gegen klassischen Tabakrauch, sondern auch gegen Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Überzogen? Oder ein begrüßenswerter Schutz für Kinder, Jugendliche und alle, die die Nase voll haben vom Rauch? Wir haben Martina Löwe, die Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe zum Thema befragt:

Die Debatte ist aufgeheizt. Wie schädlich ist Passivrauchen im Freien?
Martina Löwe:
Passivrauchen im Freien unterscheidet sich grundsätzlich nicht von Passivrauchen in geschlossenen Räumen. Der entscheidende Unterschied ist, dass sich die Schadstoffe im Freien schneller verflüchtigen. Trotzdem ist man auch draußen dem Passivrauch ausgesetzt, besonders wenn man in direkter Nähe sitzt. Studien zeigen, dass man mindestens zwei Meter Abstand einhalten müsste, um die Belastung zu minimieren. In einem Gastgarten sitzt man aber oft sehr dicht zusammen.

Sind Menschen, die Passivrauch ausgesetzt sind, eher lungenkrebsgefährdet?
Löwe:
Ich kann es nur umgekehrt sagen. In Österreich erkranken jährlich rund 5.000 Menschen an Lungenkrebs. 90 Prozent dieser Fälle betreffen Raucher. Der Anteil der Lungenkrebsfälle durch starkes Passivrauchen oder andere schädliche Belastungen ist gering.

Das Krebsrisiko beim Passivrauchen im Freien ist also als gering einzustufen. Welche Vorteile sieht die Krebshilfe in einem Rauchverbot an schützenswerten Orten?
Löwe:
Es geht vielmehr darum, die Zahl der Rauchenden langfristig zu senken. Jede Zigarette, die nicht geraucht wird, ist ein Gewinn für die Gesundheit. Wenn die Gelegenheiten, zu rauchen, reduziert werden, sinkt auch der Konsum. Und vor allem Kinder und Jugendliche sollen davor geschützt werden, mit dem Rauchen zu beginnen. Wenn Kids und Teens die Erwachsenen mit Zigaretten sehen, kommt es zu einer Prägung. Dann ist es wahrscheinlich, dass sie selbst irgendwann damit anfangen. Diese Prägung möglichst zu vermeiden, ist gerade in Zeiten wie diesen wichtig, in denen immer mehr Junge zu Konsumenten werden. Laut aktuellen Zahlen rauchen 20,6 Prozent aller Jugendlichen in Österreich über 15 Jahren täglich.

Und das, obwohl es immer schwieriger gemacht wird, Suchtmittel zu konsumieren. In Innenräumen darf man ja seit 2019 nicht mehr rauchen.
Löwe:
Geschuldet sind die hohen Zahlen der einfachen Verfügbarkeit an Einstiegsprodukten, wie E-Zigaretten. Da ist der Weg zur richtigen Zigarette dann ein kurzer.

Vapen, also das Rauchen von E-Zigaretten, soll laut EU-Empfehlung ebenfalls im Freien verboten werden. Ist das nicht überzogen?
Löwe:
Wie gesagt: gesellschaftspolitisch ist das sicher sinnvoll. Was den gesundheitlichen Aspekt betrifft: Zum Vapen gibt es noch nicht allzu viele evidenzbasierte Studien, da es ein junges Phänomen ist. Was man aber weiß, ist, dass ein Mischen von normalen Zigaretten und E-Zigaretten ein kumulatives Risiko ergibt, an Lungenkrebs zu erkranken. Mischen hat also eine summierende Wirkung. Es ist schädlicher, als ,nur‘ Zigaretten zu rauchen.

Das heißt, die Krebshilfe unterstützt gezielte Verbote an bestimmten Orten?

Löwe: Wir wollen keinesfalls eine Verbotsgesellschaft. Ein generelles Rauchverbot im Freien wäre aus unserer Sicht zu viel. Es geht vielmehr darum, gezielt Orte zu reglementieren, an denen Kinder und Jugendliche präsent sind – wie Spielplätze oder Schulen. Wenn jemand auf der Straße eine Zigarette anzündet, sollte man das nicht verbieten. Wichtig ist, dass wir gesellschaftlich ein Umdenken erreichen.

Exit mobile version