Die meisten Europäer leiden in den sonnenarmen Monaten an Vitamin-D-Mangel. Und dieser kann schwer krank machen! Wie wir uns jetzt optimal mit dem Sonnenvitamin versorgen, haben wir den Experten gefragt.

Vitamin D genießt einen Sonderstatus unter den Nährstoffen. Diesen hat es seiner außergewöhnlichen Bildung und Wirkkraft im Organismus zu verdanken. Vitamin D ist alles andere als ein „gewöhnliches“ Vitamin. Denn es kann fast ausschließlich – zu 95 Prozent – über die Haut ausgebildet werden. Und das nur, wenn auch ausreichend Sonne auf unsere Körperoberfläche trifft.

Unter Einwirkung von UV-B-Strahlung wird aus einer Vorstufe von Vitamin D (Provitamin D3) in der Haut das Prävitamin D3 hergestellt. Dieses gelangt über den Blutkreislauf in Leber und Niere, wo es schließlich (umgewandelt zu Vit. D) wie ein Hormon wichtige Prozesse im Körper steuern kann. Es regelt u. a. den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel und somit die Knochen- und Zahngesundheit. Zudem senkt Vitamin D die Gefährlichkeit von Erkältungsviren, indem es die Produktion von Abwehrstoffen im Körper steigert. Es fungiert weiters als eine Art Regelschalter im Immunsystem, der eine gesunde Immunantwort fördert, und verhindert, dass sich die Abwehrreaktionen gegen körpereigenes Gewebe richten oder sich Autoimmunerkrankungen bilden. Im Umkehrschluss: Ein Mangel schwächt die Abwehr und erhöht das Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels (bei Kindern Rachitis), Karies, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus) aber auch für Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Lupus). Besonders aufsehenerregende Ergebnisse liefern aktuelle Studien. Diese zeigen, dass Vitamin D eine wichtige Rolle bei der der Hemmung von schnellem Zellwachstum spielt. Der Vitalstoff ist also auch ein wirkungsvoller Krebshemmer. Kurzum: Vitamin D ist ein Alleskönner und ein essenzielles Rädchen, um den Körper vital, jung und gesund zu halten.

Die wichtigsten Fragen an den Experten

Nuklearmediziner und Schildrüsenexperte Dr. Frank Horbach hat jahrelange Erfahrung in der Anwendung von Vitamin D in der Prävention und Therapie. Wir stellten ihm unsere brennendsten Fragen zum Thema.

Kann mich Vitamin D wirklich vor schweren Erkrankungen, wie z.B. Krebs schützen?
Dr. Frank Horbach:
Vitamin D spielt eine zentrale Rolle: Es hilft, den Calcium- und Phosphathaushalt zu regulieren, was wichtig für starke Knochen und Muskeln ist. Menschen mit Vitamin-D-Mangel haben oft mehr Herz-Kreislauf-Probleme wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Sie fühlen sich im Alltag häufig müde und zeigen Schwächesymptome und ein geschwächtes Immunsystem. Auch Übergewicht und Diabetes stehen in Zusammenhang mit Vitamin D: Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel kann das Risiko für Insulinresistenz und damit Typ-2-Diabetes verringern – besonders, wenn der Wert auch in den Wintermonaten stabil bleibt. Bei Schwangeren wirkt Vitamin D sogar einer Frühgeburt und einem niedrigen Geburtsgewicht entgegen. Vitamin D ist auch für Frauen in der Postmenopause wichtig. Sie haben ein erhöhtes Osteoporoserisiko. Eine Östrogenersatzbehandlung mit Vit. D und Calcium scheint wirksam in der Prävention von Knochenverlust zu sein. Große Studien zeigen außerdem, dass ein gesunder Vitamin-D-Spiegel das Brustkrebsrisiko senken kann, weil niedrige UV-Exposition und Vitamin-D-Mangel mit einem höheren Risiko für diese Erkrankung in Verbindung stehen. Eine Vitamin-D-Einnahme könnte die Krebssterblichkeit in der Bevölkerung um zwölf Prozent reduzieren – vorausgesetzt, das Vitamin wird täglich eingenommen – anstatt einmal wöchentlich. Und es geht noch weiter: Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel steht in Verbindung mit Depressionen. Vitamin D könnte außerdem helfen, das Risiko für Demenz zu senken.

Schützt Vitamin D vor Corona und anderen Atemwegserkrankungen?
Dr. Horbach:
Studien zeigen einen möglichen Zusammenhang zwischen einem unzureichenden Vitamin-D-Spiegel (s. auch Werte S. 9) und einem höheren Risiko für Corona-Infektionen oder schwere COVID-19-Verläufe. Eine Vitamin-D-Supplementation könnte positiven Einfluss auf die Prävention von akuten Atemwegsinfektionen haben. Auch die Behandlung von Erkrankten mit Vitamin D kann befürwortet werden.

Warum haben so viele einen Mangel?
Dr. Horbach:
Wir arbeitet viel drinnen. Bei Sonnenexposition wird die Haut dann mit hohem Lichtschutzfaktor vor UV-Strahlung geschützt. Kinder werden am Strand in Ganzkörperanzüge gesteckt. Ein Risiko für einen Mangel haben auch häuslich gebundene Personen, z.B. in Seniorenheimen und übergewichtige Menschen, da Vitamin im Fett gespeichert wird und dadurch weniger im Blut zirkuliert.

Ich versuche mich auch im Winter jeden Tag mindestens zehn Minuten zu sonnen. Reicht das?
Dr. Horbach:
Es ist davon auszugehen, dass zwischen Oktober und März in unseren Breiten keine signifikante Vit.-D-Synthese in der Haut stattfindet und somit eine Substitution erforderlich ist. Das Robert Koch Institut empfiehlt zumindest zwischen Oktober und März dreimal pro Woche für 10 bis 15 Minuten Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen. Tägliche Sonnenlichtexposition wirkt sich auf jeden Fall positiv auf die Gesundheit aus. Trotzdem sollte man seinen Vit.-D-Spiegel mit regelmäßigen Tests im Blick haben, um bei Nachweis eines Mangels eine sofortige Vit.-D-Substitution zu beginnen.

Wie lasse ich meinen Spiegel am besten messen? Sind Schnelltests ok?
Dr. Horbach:
Schnelltests ersetzen keine Labortests! Aber sie sind mit Sicherheit von 80–90 % als Orientierung geeignet. Aber Achtung vor Selbstmedikation – da besteht die Gefahr der Über- oder Unterdosierung. Ich rate zu einem Labortest in der Arztpraxis mit anschließendem Befundgespräch.

Allgemein wird Erwachsenen eine Zufuhr von 800 bis 1.000 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin D pro Tag empfohlen. Gilt dies für alle?
Dr. Horbach:
Die Empfehlung für eine prophylaktische Vitamin-D-Supplementierung liegt bei Erwachsenen bei 800 I.E. Höhere Dosen werden Schwangeren, Risikogruppen und Menschen mit Erkrankungen (z.B. Leber- oder Nierenerkrankungen) empfohlen. Schwangere sollten z.B. bis ca. 2.000 IE täglich einnehmen. Bei Adipositas (starkes Übergewicht) sollten bis zu 3.000 IE/Tag zugeführt werden. Die empfohlene tägliche Höchstdosis für Vitamin D liegt bei 4.000 IE.

Vitamin D jeden Tag nehmen? Oder geht auch einmal in der Woche?
Dr. Horbach: Es geht auch einmal die Woche, z.B. beim Sonntagsfrühstück. Lediglich in einigen Studien scheint bei der Krebsvorbeugung die tägliche Gabe der wöchentlichen Gabe überlegen zu sein.

Kann ich Vitamin D falsch einnehmen?
Dr. Horbach:
Als fettlösliches Vitamin empfiehlt es sich, Vit. D mit einer fettreichen Mahlzeit einzunehmen und dabei auf Alkohol zu verzichten. Sonst ist die Aufnahme reduziert. Wichtig ist die Rücksprache mit dem Arzt, wenn Antibiotika, Glukokortikoide, H2-Blocker oder Lipidsenker verschrieben sind. Diese können die Vit.-D-Aufnahme erniedrigen. Achtung auch bei Östrogenen, Barbituraten und Kortikosteroiden.

Kann ich Vitamin D überdosieren?
Dr. Horbach:
Mit den frei verkäuflichen Präparaten und bei sorgsamer Anwendung nicht.

Welche Rolle spielt die Ernährung?
Dr. Horbach:
Fettreiche Fische wie Lachs, Lebertran, Leber, Innereien oder Eier können den Vit.-D-Spiegel erhöhen. Für Vegetarier gibt es weniger Möglichkeiten: Einzig in Avocados, Kakao und Pilzen ist Vitamin D nachweisbar.

Bei einem Mangel: Wie lange dauert es, bis sich die Werte normalisieren?
Dr. Horbach:
Schätzungsweise drei Monate. Daher ist es bei einem Mangel jetzt höchste Zeit für eine Substitution, um im Winter noch von den positiven Effekten, wie Immunstärke, zu profitieren. Nach drei Monaten Einnahme rate ich zur Blutkontrolle. Häufigster Fehler nach Erreichen des Normwertes ist ein Unterbrechen der Substitution. Dann fällt der Spiegel wieder ab. Ich nehme das ganze Jahr hindurch die gleiche Dosierung zu mir.

Wie erkenne ich qualitativ hochwertige Supplemente?
Dr. Horbach:
Es sollte gut fettlöslich sein. Teurere Produkte enthalten das Vit. D bereits in einer öligen Gallertkugel. 

Vitamin-D-Werte verstehen  

So wird Vitamin D gemessen:

Vitamin D wird im Blut gemessen, indem der Gehalt an 25-Hydroxyvitamin D (25[OH]D) bestimmt wird. Diese Form des Vitamins gibt den besten Überblick über den Vitamin-D-Status im Körper, da sie den gesamten Vorrat aus Sonnenlicht, Ernährung und Ergänzungen widerspiegelt. Für die Messung wird eine kleine Blutprobe entnommen, meist aus einer Vene im Arm. Die Konzentration von 25[OH]D im Blut wird dann in Nanomol pro Liter (nmol/l) oder Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) angegeben.

So gut sind Sie versorgt

Welcher Spiegel ist normal, welcher optimal, und ab wann besteht ein Mangel? Das „Laborlatein“ verstehen: Eine ausreichende Versorgung (Normbereich) liegt bei 75- 150 nmol/l bzw. 30-60 ng/ml

Ein leichter Mangel: 30–75 nmol/l bzw. 12–30 ng/ml

Ein schwerer Mangel: besteht bei unter 30 nmol/l beziehungsweise

Exit mobile version