Es ist November – die Zeit des Gansl-essens. Und ausgerechnet jetzt herrscht Vogelgrippe-Alarm in Österreich. Ist der Schmaus nun in Gefahr?
Mehr als 150.000 Tiere wurden bisher in Niederösterreich nach Angaben des Landes durch eine niederländische Firma aufgrund des Vogelgrippe-Ausbruchs getötet und anschließend in Lkw-Zügen abtransportiert. Ganz Österreich gilt seit Freitag als Gebiet mit erhöhtem Vogelgrippe-Risiko.
Gleichzeitig hat das Geflügel gerade Hauptsaison rund um den Martinitag. Die Österreicherinnen und Österreicher essen etwa 1.300 Tonnen Gänsefleisch pro Jahr – umgerechnet ein Gansl-Gericht im Jahr. Das wäre jetzt.
Die Gansl kommen allerdings nur zu etwa einem Drittel aus Österreich, das meiste Fleisch wird billig aus Ländern wie Ungarn importiert. In der Gastronomie dürfte der Anteil Schätzungen zufolge überhaupt bei 70 bis 80 Prozent liegen, so Hannes Royer, Gründer des Vereins “Land schafft Leben”.
“Absolute Vorreiterrolle”
In der Gänsemast nimmt Österreich zwar “eine absolute Vorreiterrolle ein”. “Ausnahmslos jedes österreichische Gansl hat einen Auslauf. Auf EU-Ebene gibt dagegen es noch nicht einmal gesetzliche Mindeststandards für die Gänsehaltung. Man kann sich also vorstellen, wie die Tiere in Ländern wie Ungarn gehalten werden. Trotzdem, oder gerade deswegen kommen auf Österreichs Teller jedes Jahr tausende importierte Gänse aus Haltungsformen, die bei uns nicht einmal erlaubt sind”, sagte Royer.
Denn die strengen Vorgaben in der österreichischen Gänsehaltung machen diese deutlich kostenintensiver als jene im Ausland. Heuer sind die Preisunterschiede im Einkauf etwa besonders groß. “So kostet das frische österreichische Gansl im Großhandel durchschnittlich um rund zehn Euro pro Kilogramm mehr als die Tiefkühlware aus Ungarn”, so Royer.
Doch die industrielle Massentierhaltung fungiert laut Tierschutz Austria als „Brandbeschleuniger“ für Krankheiten wie die Vogelgrippe. In modernen Betrieben, die auf wenige Hochleistungsrassen setzen, entstehen aufgrund der einseitigen Züchtung und des Fehlens genetischer Vielfalt ideale Bedingungen für die rasche Verbreitung von Erregern.
Nächste Pandemiegefahr
Stallfabriken mit über 50.000 Tieren und Qualzuchten, die anfällig für Krankheiten sind, verstärken das Problem erheblich. „Wir müssen die Tierzahlen in der Massentierhaltung drastisch reduzieren und Kleinbauern mit artgerechter Tierhaltung fördern, denn nur eine solche ist auch ein Garant für Tiergesundheit“, fordert Madeleine Petrovic, Präsidentin von Tierschutz Austria. „Ohne tiefgreifende Veränderungen könnte das nächste Virus zur Pandemie werden“, so Petrovic.
Das Gansl-Essen ist also nicht in Gefahr, wobei auch Ungarn mit einem starken Vogelgrippe-Ausbruch zu kämpfen hat – der bedroht allerdings (noch) primär die Wildvögel.