Rund sechs Wochen nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Venezuela hat Oppositionskandidat Edmundo González das Land verlassen.
Er habe auf eigenen Wunsch mit einer Maschine der spanischen Luftwaffe Venezuelas Hauptstadt Caracas in Richtung Spanien verlassen, teilte Spaniens Außenministerium mit. González habe das EU-Land um Asyl gebeten, schrieb Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez bei Instagram.
Zuvor hatter er sich seit Tagen in Spaniens Botschaft in Caracas aufgehalten, postete Rodríguez weiter. Es habe Kontakte zwischen beiden Regierungen gegeben, Venezuela habe González im Interesse des politischen Friedens freies Geleit gewährt. Die Opposition machte dazu zunächst keine öffentlichen Angaben. Es ist unklar, inwieweit González’ Abreise die politische Lage verändert.
Nach der Präsidentenwahl am 28. Juli hatte die linientreue Wahlbehörde den seit elf Jahren regierenden autoritären Staatschef Nicolás Maduro zum Sieger erklärt. Sie veröffentlichte allerdings nicht die aufgeschlüsselten Resultate. Die Opposition wirft der Regierung Wahlbetrug vor und reklamiert den Sieg für González.
González soll 67 Prozent der Stimmen erhalten haben
Sie veröffentlichte Daten, bei denen es sich ihr zufolge um die Ergebnisse aus mehr als 83 Prozent der Stimmbezirke handelt. Demnach soll González 67 Prozent der Stimmen erhalten haben und Maduro nur 30 Prozent. Die USA und mehrere lateinamerikanische Länder erkennen González als Wahlsieger an. Auch die Europäische Union zweifelt das offizielle Wahlergebnis an.
Der 75-jährige González war Kandidat geworden, nachdem Oppositionsführerin María Corina Machado wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten aus ihrer Zeit als Abgeordnete die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt worden war. Ein Gericht erließ vergangene Woche Haftbefehl gegen González. Ihm wurde unter anderem Amtsanmaßung, Aufruf zur Missachtung von Gesetzen, Verschwörung und Sabotage vorgeworfen.
Drei Vorladungen der Generalstaatsanwaltschaft
González ließ drei Vorladungen der Generalstaatsanwaltschaft verstreichen. Der Aufenthaltsort des früheren Diplomaten war zuletzt unbekannt. Auch Machado hält sich versteckt. Maduro sagte, beide gehörten hinter Gitter.
Im Zuge der Wahl war es zu Protesten gekommen, die von der Staatsgewalt gewaltsam niedergeschlagen wurden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Provea kamen 25 Menschen ums Leben, mehr als 2.400 wurden festgenommen. Die Opposition prangerte willkürliche Festnahmen einiger ihrer Vertreter an.
Sechs Oppositionelle suchten in argentinischer Botschaft Zuflucht
Sechs Oppositionelle hatten bereits im März in der argentinischen Botschaft in Caracas Zuflucht gesucht und sind noch immer dort. Nach der Ausweisung von Argentiniens Diplomaten aus Venezuela im Streit um das Wahlergebnis verwaltet Brasilien seit August die Botschaft seines Nachbarlandes. Das werde nicht mehr zugelassen, teilte Venezuelas Regierung am Samstag mit. Grund seien Hinweise, dass in der Botschaft terroristische Aktivitäten sowie Mordkomplotte gegen Maduro und Vizepräsidentin Rodríguez geplant worden seien.
Die Botschaft wird laut Argentiniens Regierung seit Freitagabend (Ortszeit) von venezolanischen Sicherheitskräften und Geheimdienstlern umstellt. Argentinien hatte am Freitag die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag aufgefordert, einen Haftbefehl gegen Maduro zu beantragen.
Guaidó erklärte sich zum Interimspräsidenten
Schon die vorherige Wiederwahl Maduros 2018 war von vielen Ländern nicht anerkannt worden. Der damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen – vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand. Dieser war 2013 nach dem Tod von Hugo Chávez als von ihm designierter Nachfolger Präsident geworden.
Venezuela leidet unter Missmanagement, Korruption und internationalen Sanktionen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Mehr als sieben Millionen Menschen – rund ein Viertel der Bevölkerung – verließen das Land nach UNO-Angaben in den vergangenen Jahren.