Die Chefin einer Steuerberatungskanzlei versteht die Welt nicht mehr. Wegen einer EU-Regelung zur Work-Life-Balance hat sie einen Rechtsstreit mit einem “unkündbaren” Mitarbeiter am Hals.
Claudia Stadler leitet eine wichtige Steuerberatungskanzlei in Wien mit rund 20 Mitarbeitern und versteht die Welt nicht mehr.
Sie hat ein Problem mit dem 41-jährigen Thomas Pauser (*Name von der Redaktion geändert).
“Mein Mitarbeiter war unzuverlässig, hielt Termine nicht ein, fehlte oft – und hat mir zuerst gar nicht mitgeteilt, dass er Kinder hat”, sagt Stadler gegenüber oe24. Die Betreuungspflichten hätten dann für “etliches Zu-Früh-Gehen”, “Zu-Spät-Kommen” hergehalten. Und nach gerade einmal 4 Monaten behauptet ihr Mitarbeiter, den sie im Dezember gekündigt hatte, eine “Unkündbarkeit” wegen einer EU-Regelung zur Work-Life-Balance.
Wut: “Unkündbar” nach vier Monaten im Unternehmen
Kinder seien nicht das Problem, es gebe viele Kanzlei-Babys und Firmenfeiern mit Kindern, sagt Stadler, die selbst Mutter ist. “Das Problem ist, dass mir mein Mitarbeiter plötzlich erzählt, dass er unkündbar ist wegen Elternteilzeit. Das ist gar nicht möglich nach gerade einmal vier Monaten im Unternehmen.”
Die Chefin stellte ihren Mitarbeiter im September ein 2023, kündigte ihn im Dezember – jetzt sehen sie sich bald vor Gericht wieder.
Für Stadler ist der Grund nicht nachvollziehbar: Elternteilzeit – und das mündlich vereinbart.
Elternteilzeit wurde laut Anwalt “mündlich vereinbart”
Für einen Anspruch auf Elternteilzeit müssen Arbeitnehmer laut Rechtslage in Österreich
- Mindestens 3 Jahre Arbeitsverhältnis im Unternehmen aufweisen
- Beschäftigung in einem Betrieb mit mehr als 20 Arbeitnehmern.
- Reduzierung der wöchentlichen Normalarbeitszeit um mindestens 20% (nicht weniger als zwölf Stunden).
- Anspruch besteht bis zum siebten Geburtstag des Kindes oder bis zu einem späteren Schuleintritt.
- Elternteilzeit kann für jedes Kind einmal beansprucht werden.
- Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung werden direkt mit dem Arbeitgeber vereinbart.
Danach ist man kaum mehr kündbar.
Dr. Michael Leitner, der Anwalt von Thomas Pauser* sagt aber, dass die Elternteilzeit mündlich vereinbart wurde. Bei Vereinbarung muss kein Anspruch gegeben sein.
oe24 gegenüber meint Leitner: “Mein Mandant hat schon im Bewerbungsgespräch auf die Kinder und die Betreuungspflichten hingewiesen.” Die Arbeitgeberin bestreitet das, spricht von einem vagen Hinweis auf Familie, aber Infos zu Kindern (Pauser hat mehrere) habe es nicht gegeben.
Der Anwalt des gekündigten Mitarbeiters zieht jetzt vor Gericht, am Ende müsse der oberste Gerichtshof (OGH) entscheiden. Auch er verweist auf EU-Richtlinien: “Wenn es der Arbeitgeberin nicht passt, dass die EU Arbeitnehmer mit Kindern schützt, dann ist das ihre Sache. Jetzt muss der OGH entscheiden.”
Streitwert: 100.000 Euro
Die Kündigung erfolgte nach einem Arztbesuch von Pauser* mit seiner Tochter. Laut Chefin unangekündigt und mitten in einem wichtigen Projekt. Laut Pausers Anwalt war der Arztbesuch vereinbart.
Der Streitwert des Verfahrens um Wiedereinstellung: 100.000 Euro.