In die Debatte über eine schnelle Reform der Schuldenbremse oder die Einrichtung einer neuen Kreditlinie für Verteidigungsausgaben in Deutschland kommt bei der Union zwei Tage nach der Bundestagswahl Bewegung.
Mehrere Unionspolitiker rückten von ihrer strikten Ablehnung ab, nachdem CDU-Chef Friedrich Merz bereits am Montag Gespräche mit SPD, Grünen und FDP angekündigt hatte.
Zu dem Vorschlag der Grünen, noch mit dem alten Bundestag Beschlüsse zu fassen, sagte CSU-Chef Markus Söder am Dienstag in der ARD: “Ich bin da etwas zurückhaltend, aber das muss man dann am Ende sehen.” Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, deutete im Deutschlandfunk an, dass man auch ein neues Sondervermögen einrichten könnte. “Es ist ein Finanzierungsbedarf da, bei der Bundeswehr bis in die Dreißigerjahre hinein”, sagte Vize-Unionsfraktionschef Jens Spahn den Sendern RTL und ntv. “Das ist uns allen bewusst.”
Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich
Hintergrund ist, dass sowohl für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse als auch für die Einrichtung eines neuen Sondervermögens eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig ist. Im neuen Bundestag verfügen AfD und Linke aber über eine Sperrminorität, die Linke hat bereits angekündigt, dass sie für eine Reform zugunsten von Investitionen vielleicht offen sei, nicht aber zugunsten von Verteidigungsausgaben. Deshalb hatten am Montag sowohl CDU-Chef Merz als auch der amtierende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz darauf verwiesen, dass der Bundestag auch nach der Wahl am Sonntag in seiner alten Besetzung noch bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments Entscheidungen treffen könne.
Der neue Bundestag muss sich spätestens am 25. März konstituieren. Bereits 1998 hatte es eine solche Situation mit einer Entscheidung über einen Bundeswehreinsatz gegeben. Will man diesen Weg gehen, müsste eine Einigung zwischen Union, SPD, Grünen und FDP vor den kommende Woche beginnenden offiziellen Koalitionssondierungen von Union und SPD geschehen. Merz telefonierte am Montagabend mit SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. Ein neues Sondervermögen Bundeswehr könnte nach Angaben aus Parteikreisen ein Volumen von mehreren hundert Milliarden Euro haben.
Verteidigung im Fokus
“Es gibt zwar Argumente dafür, weil man sagt, man hat da noch eine mögliche Mehrheit”, sagte CSU-Chef Söder zu einem Beschluss noch im alten Bundestag. “Es gibt aber auch Argumente dagegen, weil man sagen kann, wie ist denn die Legitimation für eine solche Entscheidung, nachdem man schon gewählt hat”, fügte er hinzu. Söder gab dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aber recht, der deutlich höhere Verteidigungsausgaben gefordert hatte.
Der CDU-Politiker Frei sprach sich zwar gegen eine schnelle generelle Reform der Schuldenbremse aus. Aber er wollte nicht ausschließen, dass angesichts “der hochdynamischen außenpolitischen Veränderungen” und einer steigenden Bedrohungslage “sehr schnell Entscheidungen ganz spezifisch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik notwendig” sein könnten. Auf die Nachfrage nach einem Sondervermögen fügte Frei hinzu: “Jedenfalls ist es aus meiner Sicht klar, dass es auf dieses Themenspektrum der Außen- und Sicherheitspolitik” begrenzt sein müsse.
Spahn mahnte: “Der nächste Kanzler, der im Juni zum NATO-Gipfel nach Den Haag fährt, der muss ja belastbar darlegen können, zwei plus X Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung. Sonst brauchen wir transatlantisch, sonst brauchen wir in Washington gar nicht mehr anzutreten.”
Forderungen im Wahlkampf noch abgelehnt
Die Kehrtwende der Union gilt als bemerkenswert, weil sie entsprechende Forderungen von etwa SPD, Grünen und auch von CDU-Ministerpräsidenten zur Reform der Schuldenbremse im Wahlkampf noch kategorisch abgelehnt hatte. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte bereits im November schnelle Reformen mit dem Hinweis darauf gefordert, dass es im neuen Bundestag eine Blockademinorität gegen eine Reform geben könnte.
Pistorius forderte die Union auf, für die Erhöhung des Bundeswehretats die Schuldenbremse zu reformieren. “Für die auskömmliche Ausstattung der Bundeswehr ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse praktisch unumgänglich”, sagte der SPD-Politiker zur “Bild”. Der Etat des Verteidigungsministeriums “wird sich durch notwendige Investitionen in den kommenden Jahren auf über 100 Milliarden Euro verdoppeln müssen. Wir reden über mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.” Das lasse sich nicht zulasten anderer Bereiche im Budget absparen.
Die Grünen sind weiter offen für eine Reform der Schuldenbremse noch durch den alten Bundestag. Die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann antwortete am Dienstag im Deutschlandfunk auf eine entsprechende Frage mit “Ja”. “Wir brauchen sie, wenn wir an die Zukunft denken”, sagte Haßelmann. “Wir brauchen dringend Zukunftsinvestitionen in innere, in äußere Sicherheit, in Klimaschutz und bei der Unterstützung der Wirtschaft.”