Immer mehr Menschen leiden an Alzheimer, doch Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer. Neue Studien liefern jetzt die überraschenden Gründe. 

Die Zahl der Menschen mit Alzheimer nimmt weiter zu und die Erkrankung betrifft Frauen deutlich häufiger als Männer: Etwa zwei Drittel der Betroffenen sind weiblich. Lange Zeit wurde dieses Ungleichgewicht ausschließlich der höheren Lebenserwartung von Frauen zugeschrieben. Doch aktuelle Forschungen zeigen, dass weitere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.

Hormonelle Veränderungen

Ein zentraler Aspekt ist der weibliche Hormonhaushalt, insbesondere das Hormon Estradiol aus der Gruppe der Östrogene. Während der Menopause sinkt der Estradiolspiegel deutlich ab, was das Risiko für Alzheimer erhöhen könnte. Studien deuten darauf hin, dass ein Ausgleich dieses Hormonspiegels durch Hormonpräparate einen schützenden Effekt haben kann. Allerdings hängt die Wirkung der Therapie vom Zeitpunkt und der Art des Präparates ab: Ein positiver Effekt tritt vor allem bei Frauen auf, die während des Übergangs in die Menopause oder in der frühen Postmenopause mit der Hormontherapie beginnen. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass Hormontherapien nach den Wechseljahren, insbesondere in Kombination mit Gestagenen, das Brustkrebsrisiko erhöhen können.

Herz-Kreislauf-Gesundheit als Risikofaktor

Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems spielt ebenfalls eine wichtige Rolle beim Alzheimer-Risiko. Nach der Menopause steigt bei Frauen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da der Östrogenmangel dazu führt, dass die Gefäße weniger geschützt sind und schneller verkalken. Auch die Cholesterin- und Blutdruckwerte verschlechtern sich bei vielen Frauen. Diese Veränderungen erhöhen das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle und damit auch für eine Alzheimer-Erkrankung.

Sozioökonomische Faktoren

Neben biologischen Faktoren spielen auch soziale und ökonomische Aspekte eine Rolle. Frauen verdienen oft weniger als Männer, haben dadurch einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem und arbeiten häufig in kognitiv weniger anspruchsvollen Berufen oder unterbrechen ihre Karriere für Familienarbeit. Ein aktives Berufsleben mit hohen geistigen Anforderungen kann das Alzheimer-Risiko senken, da das Gehirn stärker gefordert wird. Zudem sind Frauen oft Mehrfachbelastungen ausgesetzt, was zu erhöhtem Stress und einem höheren Risiko für Depressionen führt – beides Risikofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung.

Frauen wurden lange in der Alzheimer-Forschung vernachlässigt

Obwohl Frauen überproportional häufig von Alzheimer betroffen sind, wurden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Forschung lange Zeit kaum berücksichtigt. Die meisten klinischen Studien wurden mit überwiegend männlichen Teilnehmern durchgeführt, was zu einer Verzerrung in den Ergebnissen führte. Dadurch sind viele Medikamente und Therapien nicht optimal auf die weibliche Biologie abgestimmt. Erst in den letzten Jahren wächst das Bewusstsein für diese Problematik, sodass zunehmend gezielte Untersuchungen zu den Unterschieden zwischen Männern und Frauen in der Alzheimer-Entwicklung stattfinden.

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