Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue US-Präsident Donald Trump am Montag einen nationalen Notstand an der südlichen Grenze der USA ausgerufen.
Nidia Montenegro ist der Gewalt und Armut in Venezuela entkommen. Sie hat eine Entführung auf ihrer Reise Richtung Norden hinter sich. Am Sonntag erreichte die 52-Jährige die mexikanische Grenzstadt Tijuana. Dort hatte sie einen Termin für ein US-Asylverfahren, das sie endlich mit ihrem in New York lebenden Sohn wiedervereinen sollte. Der Termin ist nun gestrichen.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue US-Präsident Donald Trump am Montag einen nationalen Notstand an der südlichen Grenze der USA ausgerufen. Kaum, dass er dies in seiner Antrittsrede im Kapitol in Washington ankündigt, checken Migranten, die Tausende Kilometer entfernt auf der mexikanischen Seite der Grenze darauf warten, ins Land zu kommen, die App CBP One. Über sie konnten Termine zur Beantragung von Asyl gemacht werden. Doch jetzt zeigt die von der US-Regierung betriebene App eine Benachrichtigung an: “Über CBP One vereinbarte Termine sind nicht mehr gültig.”
Welle des Entsetzens
Durch das Aufenthaltslager in Tijuana, nur wenige Meter von der Grenze, bricht sich eine Welle des Entsetzens. “Ich kann es nicht glauben”, sagt Montenegro unter Tränen. “Nein, Gott, nein.” US-Grenzschutzbehörden bestätigen, dass die App eingestellt und bestehende Termine abgesagt wurden. Montenegro gehört zu Tausenden Migranten, deren Hoffnung, legal in die USA zu gelangen, sich plötzlich in Luft auflöst.
Um sie herum fangen andere Migranten zu weinen an. Immer wieder versuchen sie, die App zu laden. Die Verzweiflung wird größer. Einige erhalten ihre Terminabsage per E-Mail, andere bekommen die Benachrichtigung über die App, und manche können die App überhaupt nicht öffnen.
Die Maßnahme gehört zu den ersten Änderungen unter der neuen Trump-Regierung. Der neue Präsident hat in seiner Antrittsrede angekündigt, Truppen an die Grenze zu Mexiko zu schicken, Millionen Einwanderer ohne Aufenthaltsberechtigung aus den USA abzuschieben und Drogenkartelle als ausländische Terrororganisationen einzustufen.
Die Nachrichtenagentur Reuters hat Montenegros Reise zwei Monate lang verfolgt – von der Begeisterung, als sie sich einen Termin für diesen Mittwoch sicherte – nur zwei Tage nach Trumps Amtsantritt – bis zu der Enttäuschung nach der Absage.
“Es ist vorbei”
In anderen Orten entlang der Grenze kommt es zu ähnlichen Szenen wie in Tijuana. So erhalten auch im mexikanischen Ciudad Juarez gegenüber von der texanischen Grenzstadt El Paso mehrere Migranten die Mitteilung, dass ihre eigentlich noch im Laufe des Tages anstehenden CBP-One-Termine kurzfristig abgesagt wurden. “Es ist vorbei, sie haben ihn gestrichen” sagt Margelis Tinoco aus Kolumbien, die mit ihrem Ehemann und 13-jährigen Sohn unterwegs ist. “Sie haben ihn blockiert. Wir können nichts tun.”
In Piedras Negras auf der anderen Seite des texanischen Grenzorts Eagle Pass werden Migranten mit Terminen abgewiesen. An eine Wand gelehnt, klammern sie sich an Rucksäcken und Decken, während sie versuchen herauszufinden, was sie jetzt tun sollen. Einige schickten tränenreiche Sprachnachrichten an ihre Familien zu Hause.
Auch für Montenegro ist es eine niederschmetternde Wende. Sie kam am Sonntag nach Tijuana – voller Optimismus und Vorfreude, bald ihren 24-jährigen Sohn in New York wieder zu treffen. Zuletzt hat sie ihn vor über einem Jahr gesehen. “Heute beginnt mein Leben von neuem”, sagte sie damals lächelnd zu Reuters. Vergangenes Jahr wurde sie zusammen mit zwei Neffen und Dutzenden anderen, darunter Kinder, am Tag ihrer Ankunft über Guatemala im Süden Mexikos entführt. Zwei Tage später gelang der Gruppe die Flucht, doch das Trauma trägt sie seitdem in sich.
Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben
Nun weiß sie nicht, was sie tun soll. Gestrandet in einer fremden Stadt Tausende Kilometer weg von zu Hause und fast in greifbarer Nähe des Landes, in dem sie ein neues Leben beginnen wollte. Noch immer unter Schock kann sie die Hoffnung, die sie seit der Bestätigung ihres Termins hegte, nicht ganz aufgeben. Auch wenn sie von anderen hört, dass diese an der Grenze abgewiesen werden. Trotzdem, sie besteht darauf: “Ich werde zu meinem Termin gehen.”