Freundschaft und Zusammenarbeit sind in der internationalen Politik und Wirtschaft relativ.
Angesichts des zweiten Amtsantritts von Donald Trump als US-Präsident machen sich die Europäer plötzlich wieder ernsthaft Sorgen, ob sie sich auf die jahrzehntealte transatlantische Freundschaft noch verlassen können.
Trump ordnete den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der WHO an, droht Freund und Feind mit Strafzöllen – und stellt auch noch Gebietsansprüche auf andere Länder. Das lässt die auch vom deutschen Kanzler Olaf Scholz immer wieder beschworene Werte-Partnerschaft etwas verblassen.
Prompt witterte man in Peking eine Chance: Am Dienstag präsentierte der stellvertretende Ministerpräsident Ding Xuexiang sein Land auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos dem Publikum deshalb als Musterknabe der internationalen Zusammenarbeit – und verantwortungsvollere Supermacht. China werde natürlich den Kampf gegen Klimawandel fortführen, denke multilateral, sei für freie Handelsbeziehungen und kümmere sich um den globalen Süden, betonte er. Größer könnte der Kontrast zu den neuen Trump-USA kaum sein.
Systemkonflikt zwischen autoritären Regimen und liberalen Demokratien
Die Charmeoffensive gilt aus chinesischer Sicht als bitter nötig. Denn unter US-Präsident Joe Biden gab es echte, für die chinesische Wirtschaft durchaus gefährliche Distanzierungen des Westens von einem immer autoritärer auftretenden China. Es wurde sehr stark der Systemkonflikt zwischen autoritären Regimen und liberalen Demokratien betont. Das zeigt Wirkung: Ausgerechnet die USA haben China jetzt als größten Handelspartner Deutschlands abgelöst – was nun neue Sorge für die gebeutelte Industrie bedeutet.
Eine neue Tonlage gab es am Dienstag auch beim Auftritt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Davos. Vor Weihnachten hatte die Kommission noch gegen den Willen Deutschlands,die Strafzölle gegen Importe von E-Autos aus China durchgedrückt. Aber am Dienstag betonte von der Leyen, dass jetzt die Zeit gekommen sei, die Beziehungen zu China wieder zu festigen und “womöglich Handel und Investitionen auszubauen”. Das sind neue Töne. Tatsächlich rücken Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien die These vom Kampf der Systeme etwas in den Hintergrund. Eine in der Rezession befindliche deutsche Wirtschaft und die Handelsdrohungen aus Washington lenken den Blick zudem auf alle Märkte, in denen sich künftig noch Geschäfte machen lassen.
“Es gibt in CDU und Industrie einen starken Kern, der mehr Pragmatismus auch mit China will”, sagt Mikko Huotari, Direktor des China-Thinktanks Merics, mit Blick auf einen möglichen Regierungswechsel. Der Streit um Strafzölle hat gezeigt, dass Scholz und Merz in der China-Politik nicht so weit auseinanderliegen.
Suche nach EU-Partnern jenseits der USA und China
Allerdings: Trump hin oder her – niemand setze die amerikanische Demokratie mit dem kommunistischen Regime gleich, Scholz wies jeden Eindruck einer Äquidistanz zurück und bezeichnete die USA auch mit Trump ausdrücklich als “engsten Verbündeten außerhalb Europas”. Denn Ding mag China als vorbildlichen Partner preisen: Weder habe sich etwas an der auch militärischen Drohung gegen Taiwan geändert noch an den Dominanzbestrebungen, die die Chinesen in vielen Branchen zeigen, heißt es in der Regierung. Dass mittlerweile 60 Prozent der Photovoltaik-Komponenten und 70 Prozent der Windräder weltweit aus China kommen, wie Ding in Davos stolz erzählte, verschreckt westliche Regierungen eher. Auch von der Leyen betonte in Davos bei aller neuen Freundlichkeit, man werde weiter darauf achten, dass Abhängigkeiten von China abgebaut würden.
Die schwindende US-Euphorie mit der Rückkehr Trumps könnte eher dazu führen, dass die Europäer die Welt jenseits der USA und Chinas entdecken. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte in Davos an, dass sie als erstes nach Indien reisen werde. “Wir wollen mehr Zusammenarbeit mit allen, die dazu offen sind.” Und Scholz will am Mittwoch in Paris noch einmal bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dafür werben, dass dieser angesichts der neuen Sorgen um die USA das EU-Mercosur-Abkommen ratifiziert, damit Europa die Bande mit Südamerika verstärken kann.