Die EU ist auf die neue Amtszeit on US-Präsident Donald Trump nicht vorbereitet und droht in den Zangengriff zwischen den USA, Russland und China zu geraten.

Auf diese Position konnten sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion “Europas Zukunft nach der Wiederwahl von Trump” am Sonntag im Burgtheater einigen. Doch sonst gingen die Meinungen sehr weit auseinander.

Balázs Orbán, politischer Direktor von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, erklärte den Wahlsieg Trumps mit der Ernüchterung der Mehrheit der US-Amerikaner über die liberale Regierung Joe Bidens, vor allem über die “Migration, Teuerung und woke Kultur”. Auch in Europa sei die von der Brüsseler EU-Führung propagierte “liberale Ideologie” gescheitert. “Wenn jetzt die neue Regierung unter Trump die Politik nur auf die nationalen Interessen der USA ausrichtet, dann wird das auch gut für Ungarn und Österreich sein”, so Orbán, der mit dem Premier nicht verwandt ist. “Die neue Weltordnung wird auf nationale Souveränität aufbauen und daher auch nachhaltig sein.” Darauf sei Europa nicht vorbereitet, weil in den meisten EU-Ländern und in den EU-Institutionen weiterhin eine “überholte, liberale Politik” dominant sei.

Keine Bereitschaft rechtspopulistischer Politiker zu mehr Militär-Zusammenarbeit

Den größten Widerspruch erntete Balázs Orbán bei der Leiterin des “Instituts für internationale Angelegenheiten” in Rom, Nathalie Tocci. Die von Trump gleichgeschaltete Partei der Republikaner verfolge nun einen “revisionistischen und imperialen Kurs”, so Tocci, früher Mitarbeiterin bei der ehemaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. “Trump behandelt seine Verbündeten und Partner in Europa wie Gegner.” Manche EU-Staaten führten sich auf wie “gackernde Hühner”, die von Trump bald mit Süßigkeiten gefüttert würden. Tocci verwies auf Italiens rechtspopulistische Regierungschefin Giorgia Meloni, die gerade mit Elon Musk über die Teilnahme Italiens an dessen Internet-Satelliten “Skylink” verhandelt und so aber ein geplantes europäisches Satelliten-System hintertreibe. Rechtspopulistische Politiker in EU-Staaten zeigten keine Bereitschaft zu mehr Zusammenarbeit im militärischen Bereich. “Orbáns Ungarn, Ficos Slowakei, Melonis Italien und bald vielleicht die tschechische Republik unter Babis und Kickls Österreich haben kein Interesse an einem starken und geeinten Europa”, so Tocci.

Auch zum Thema Ukraine gab es heftige Debatten in der vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), der “Erste Stiftung”, dem Burgtheater und der Zeitung “Der Standard” organisierten Diskussionsreihe “Europa im Diskurs”. Olga Pindyuk, derzeit im Wiener “Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche” (wiiw) tätige ukrainische Ökonomin, verbindet mit Trumps Amtsantritt wenig Hoffnung auf einen gerechten Frieden für ihr Land. Trump interessiere sich weniger für Europa und schon gar nicht für kleinere Länder. “Die Ukrainer sind müde vom Krieg, wollen aber ihren Widerstand gegen Putins Aggression nicht aufgeben”, so Pindyuk. Die militärische Hilfe der USA und EU für die Ukraine sei für einen Sieg der Ukraine nie ausreichend gewesen. Sollte Putin in Zukunft erreichen, die Regierung der Ukraine unter seine Kontrolle zu bekommen, würde ein zweites Belarus entstehen mit einer massiven Flüchtlingswelle. “Dies wäre für die Wirtschaft und Sicherheitspolitik in Europa ein noch viel schlechteres Ergebnis als die jetzige Situation”, sagte Pindyuk.

Strafzölle auf Importe aus der EU und China wären ein “negativer Schock für die ganze Welt”

Sollte Trump Strafzölle auf Importe aus der EU und China einheben, würde dies einen “negativen Schock für die ganze Welt” auslösen, “aber auch die USA würden darunter leiden”, sagte Pindyuk voraus. Orbán wies darauf hin, dass bereits der noch amtierende US-Präsident Biden die Handelspolitik der EU beeinflusst habe. “Biden hat die Europäer unter den militärischen Schutz der USA gestellt. Er hat dann gefragt, wieso Europa weiterhin mit China gute Handelsbeziehungen behalten will.” Ungarn habe mit China sehr enge Wirtschaftsbeziehungen geknüpft, etwa im Automobilsektor. Im Vorjahr habe China 45 Prozent seiner Investitionen in Europa in Ungarn getätigt. Die frühere ORF-Journalistin und US-Expertin Hannelore Veit verwies darauf, dass das größte Werk des US-Autokonzerns Tesla in China stehe.

Über die Rolle von Tesla- und X-Chef Elon Musk gab es geteilte Meinungen. Balazs Orbán warnte vor Heuchelei in Europa, was Kritik an Musk betrifft. Der ungarische Milliardär George Soros habe sich auch in europäische Wahlkämpfe eingemischt und finanziere etwa die Opposition in Ungarn. Für Tocci verfolgen Musk und Trump dieselben Interessen. Unter Trump werde es weniger Regulierung für soziale Medien geben. “Trump und Musk werden Europa mit einer revisionistischen und imperialistischen US-Regierung nach dem Prinzip ‘teile und herrsche’ behandeln.”

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