So absurd der Anspruch des künftigen US-Präsidenten auch klingt, Erfolg könnte Trump dennoch haben.
Als Donald Trump zu Jahresbeginn auf die ihm eigene Art erneut US-amerikanische Begehrlichkeiten auf Grönland anmeldete, schwankten die unmittelbaren Reaktionen zwischen Empörung und Konsternation. Aus Dänemark, das nach wie vor die Souveränität über die weitgehend autonome Nordatlantik-Insel ausübt, und von Seiten der EU kamen entrüstete Zurückweisungen, aber auch Beschwichtigungen. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump seinen Willen am Ende durchsetzen könnte.
So absurd der Anspruch des künftigen US-Präsidenten, und damit wohl auch bald der USA, auf Grönland auf den ersten Blick erscheinen mag – er ist es nicht. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt nämlich, dass die Vereinigten Staaten schon mehrmals Anläufe unternahmen, die strategisch wichtige Insel unter ihre Kontrolle zu bekommen. Bereits 1867, als die USA Alaska dem Russischen Reich abkauften, gab es in Washington Überlegungen, auch Dänemark ein Angebot für Grönland und Island zu machen. 1910 sinnierte man auf dänischer Seite über einen Doppeltausch Grönlands mit den USA und Deutschland, um so an Schleswig heranzukommen. (Der nördliche Teil davon kam nach dem Ersten Weltkrieg ohnehin zu Dänemark).
Schon lange Interesse
Nachdem die USA während des Zweiten Weltkriegs Grönland mit Einverständnis der dänischen Regierung okkupiert hatten, boten die USA 1946 Dänemark an, Grönland um 100 Millionen Dollar (ca. 100 Mrd. in heutiger Währung) zu kaufen. Die Verhandlungen verliefen zwar im Sand, die USA blieben auf Grönland während des Kalten Krieges militärisch jedoch stark präsent. 1951 unterzeichneten beide Staaten einen Vertrag, der den USA die Jurisdiktion über ihre auf der Insel errichteten Militärbasen einräumte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor Grönland vorübergehend seine zentrale militärische Bedeutung für die USA. 2004 blieb den USA nur noch die 1953 errichtete Thule Airbase im Nordwesten der Insel. Seit 2023 heißt sie offiziell Pituffik Space Base. 2020, ein Jahr nach dem ersten Kaufangebot Trumps, eröffneten die USA ein im Jahr 1953 geschlossenes Konsulat in Nuuk wieder.
Das Interesse der USA an Grönland ist weder neu noch die Einzelidee eines Präsidenten. Neben der durch die territorialen und wirtschaftlichen Ambitionen Russlands und Chinas wieder imminent gewordenen strategischen Lage Grönlands ist die nicht zuletzt durch den Klimawandel immer realistischer werdende Ausbeutung bereits gefundener und vermuteter Bodenschätze auf der Insel in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. So befinden sich in Grönland bedeutende Vorkommen seltener Erden und Uran.
Kopenhagen befindet sich angesichts des erstarkten Interesses der USA in einer Zwickmühle. Zum einen galten die USA zumindest bisher als Dänemarks wichtigster strategischer Verbündeter. Zum anderen sieht sich Dänemark immer wieder – und in letzter Zeit verstärkt – mit Bestrebungen Grönlands konfrontiert, die volle Unabhängigkeit zu erlangen. Mit einem jährlichen Zuschuss von derzeit 4,3 Mrd. Kronen (576,34 Mio. Euro) steuert Dänemark rund die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen Grönlands bei. Hinzu kommt eine weitere Milliarde, die Dänemark für seine verbliebenen Kompetenzen (Außenpolitik und Sicherheit) für Grönland aufwendet.
Hilfe von außen
Die Zeichen in Grönland stehen indes auf Neuwahlen, die bis zum 6. April stattfinden müssen. Die derzeitige grönländische Regierung unter Mute Egede strebt die Unabhängigkeit von Dänemark an und vertrat bisher auch einen äußerst restriktiven Kurs in puncto verschiedener Rohstoffgewinnungsprojekte. Trotz in letzter Zeit gestiegener Einnahmen aus dem Tourismus ließe sich eine Unabhängigkeit der zum überwiegenden Teil vom Fischfang lebenden Inselnation aber nur schwer ohne Hilfe von außen finanzieren.
Das wissen auch die USA und Donald Trump. Letzterer machte unlängst klar, dass er Grönland nicht nur wegen seiner strategischen Bedeutung den USA einverleiben will. “Wir brauchen sie (die Grönländer) für unsere wirtschaftliche Sicherheit”, so Trump in einer seiner Ansprachen Anfang Jänner. Dass damit eigentlich nur die riesigen Bodenschätze der Insel gemeint sein können, allen voran die so begehrten Seltenen Erden, liegt auf der Hand.
Die Parlamentswahlen und ein möglicherweise zugleich stattfindendes Referendum über die Unabhängigkeit Grönlands könnten somit bereits eine Weichenstellung bringen, ob Grönland bis auf weiterer in einer nicht von allen geliebten “Reichsgemeinschaft” mit Dänemark samt dessen finanzieller Unterstützung verbleibt, oder ob sich über den Weg der Unabhängigkeit nicht noch eine Option für Donald Trump eröffnet, die Insel auf die eine oder andere Art unter US-Kontrolle zu bekommen. Das ließe sich beispielsweise durch ein unwiderstehliches Angebot in Form von großzügiger finanzieller Unterstützung, der Zusicherung einer ähnlichen oder sogar weiter reichenden Autonomie sowie verbindlicher Sicherheitsgarantien sicherlich leichter bewerkstelligen als mit der von Trump ins Spiel gebrachten Möglichkeit der Anwendung von militärischen Gewalt.
Dass ein Grönland unter dem weißköpfigen Seeadler aber nicht ohne massive Ausbeutung der bisher unausgebeuteten Bodenschätze funktionieren würde, muss der dortigen Wählerschaft und der Politik allerdings klar sein.