Eine Woche nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die konservative Union mit Stimmen der rechtspopulistischen AfD im deutschen Bundestag einen Beschluss für einen härteren Migrationskurs durchgesetzt – und damit für einen beispiellosen Streit gesorgt. 

Er dürfte auch den weiteren Wahlkampf bis zum 23. Februar maßgeblich bestimmen. Was dieser Tag für die Regierungsbildung nach der Wahl bedeuten wird, ist noch offen.

Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde demnach mehrheitlich abgelehnt. Beide Anträge sind rechtlich nicht bindend.

SPD und Grüne warfen der Union vor, die politischen Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Friedrich Merz persönlich dafür verantwortlich. Nach einem solchen Votum, dürfe man “nicht so einfach zur Tagesordnung” übergehen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

Merz äußert Bedauern

Merz bot SPD und Grünen neue Verhandlungen an und versicherte, “keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments” zu suchen. Er fügte hinzu: “Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das.”

Grüne: “Schwarzer Tag für Demokratie”

Die deutschen Grünen sprachen von einem “schwarzen Tag für die Demokratie”. “Sie sehen uns ziemlich erschüttert”, sagt Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. “Ein Antrag hat eine Mehrheit nur deshalb bekommen, weil eine rechtsextreme Fraktion zugestimmt hat.” Dies sei “sehenden Auges” geschehen und das Werk von Unionskanzlerkandidat Merz. Der CDU-Chef müsse seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen. “Es braucht eine Zusage von ihm, dass er in Zukunft so etwas nicht wiederholt”, fordert Dröge, deren Fraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommt.

Linken-Politikerin spricht von “Dammbruch”

Die Linke kritisierte die Union scharf Die Spitzenkandidatin der Partei für die Bundestagswahl, Heidi Reichinnek, sagte im Plenum nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses: “Herr Merz, aller politischen Differenzen zum Trotz, hätte ich mir niemals vorstellen können, dass eine christlich-demokratische Partei diesen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert!”.

Die Mehrheiten mit der AfD seien nicht in Kauf genommen worden und keine Zufallsmehrheiten. “Sie haben diese Mehrheiten gesucht, gemeinsam mit der FDP haben sie diese Mehrheiten gezielt gesucht und das ist das verdammte Problem und Sie verstehen es bis jetzt noch nicht!”, rief Reichinnek in Richtung Union.

AfD sieht Beginn einer “neuen Epoche”

Die AfD-Fraktion sprach von einem historischen Moment. “Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen”, rief Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann dem CDU-Chef zu. “Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD.”

Der deutsche Bundestag hatte zuvor einem Unionsantrag mehrheitlich zugestimmt, der mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Für den Antrag stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen. 344 Abgeordnete waren dagegen, zehn enthielten sich. Der Antrag hat keine bindende Wirkung, der Beschluss aber eine hohe Symbolkraft.

Die AfD applaudierte nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. SPD, Grüne votierten geschlossen mit Nein, ebenso wie die Gruppe Die Linke. Das linksnationale Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) enthielt sich. Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt. Beide Anträge sind rechtlich nicht bindend.

Mützenich: “Nicht so einfach zur Tagesordnung” übergehen

Die Sitzung wurde nach der Abstimmung unterbrochen. In der vorangegangenen Debatte hatten sich Kanzler Olaf Scholz und Merz einen heftigen Schlagabtausch, vor allem über den Umgang mit der AfD, geliefert. Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. “Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf”, sagte er an die Adresse des Oppositionsführers in seiner Regierungserklärung.

Scholz mutmaßte auch, die Union könne nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als “niederträchtig” und “infam” zurück. “Ich werde alles tun, das zu verhindern.” Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt. Das sei ihm lieber, als “weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet” werden.

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