Dass Christian Stocker nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl kann, ist eigentlich schon länger bekannt. Nach einem einmonatigen Intermezzo, in dem sich der geschäftsführende ÖVP-Chef im Rahmen von Koalitionsverhandlungen den blauen Kanzler in spe schönreden musste, steht man nun wieder am Anfang.
Ob die für Ende März geplante Wahl Stockers zum ÖVP-Chef nun auch tatsächlich stattfindet, ist offen. Immerhin konnte auch der Anwalt seiner Partei keine Regierungsbeteiligung sichern.
Genau das wäre eigentlich seine Aufgabe gewesen: Nach dem Scheitern der schwarz-rot-pinken Regierungsgespräche sollte Stocker als neuer Frontmann die ÖVP in eine Koalition führen – ausgerechnet in eine blau-schwarze. Das dürfte auch den Wiener Neustädter selbst überrascht haben, der sich Anfang Jänner als ÖVP-Generalsekretär unter Karl Nehammer nach dessen Rücktritt eigentlich schon wieder zurück am Weg in die Kommunalpolitik sah. Seine Kür zum ÖVP-Chef war wohl auch dem Wunsch der Partei nach Stabilität geschuldet – und dass sich niemand anderer als klare Nummer eins anbot.
Sollte in der ÖVP für Stabilität sorgen
Und Stabilität verkörpert der bullige Anwalt, der in seiner Freizeit gerne fischt und Tenorsaxofon spielt, wie kein anderer. Als Generalsekretär “konnte” er mit so ziemlich allen in der Partei, seine Herkunft aus der niederösterreichischen ÖVP sorgte für die nötige Machtbasis. Darüber hinaus füllte der gesellige 64-Jährige auch stets die ihm von der Partei zugedachte Rolle aus – sei es als geschäftsordnungsaffiner Abgeordneter in Untersuchungsausschüssen, als Kalmierer vor den Kameras oder als Redner im Nationalrat.
Stocker gilt zwar nicht als mitreißender Rhetoriker, seinen Standpunkt bzw. jenen seiner Partei kann er aber durchaus deutlich vertreten. “Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner” formulierte er in diversen Abwandlungen mehr als einmal. Dass ihm nach seinem Schwenk in Richtung Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ viele die Glaubwürdigkeit absprachen, nahm er in Kauf und thematisierte das selbst offensiv. Sein Argument: “Es geht jetzt nicht um mich, das Land braucht dringend eine Regierung.” Dass er als fast im Pensionsalter stehender Selbstständiger nichts mehr zu werden brauche, betonte er mehr als einmal.
Von Wiener Neustadt in die Spitzenpolitik
In die Spitzenpolitik brauchte Stocker recht lange. Im Jahr 2000 wurde er in seiner Heimatgemeinde Wiener Neustadt Stadtparteiobmann, Vizebürgermeister und ÖVP-Gesicht bei Grätzlfesten – damals war die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs noch fest in SPÖ-Hand. Als die ÖVP 2015 eine Koalition gegen die Sozialdemokraten bastelte und die Macht in der Stadt übernahm, überließ er das Bürgermeister-Amt dem ÖVP-Klubchef im Landtag, Klaus Schneeberger.
In den Nationalrat zog Stocker dann 2019 ein. 2022 machte Nehammer den zweifachen Vater zum Generalsekretär. Ob er nun wie geplant tatsächlich Ende März bei einem Parteitag in seiner Heimatstadt zum ÖVP-Chef gewählt wird, ist nun wieder unklar. Seine Aussage, dass er nichts mehr werden muss, könnte in der ÖVP auch wörtlich genommen werden – so andere Kandidaten zur Auswahl stehen.
Zur Person: Christian Stocker, geboren am 20. März 1960 in Wiener Neustadt, Volksschule und Gymnasium ebenda, Jus-Studium in Wien, Anwaltskanzlei in der Heimatstadt. Ab 2000 Stadtparteiobmann und Vizebürgermeister in Wiener Neustadt, seit 2019 Abgeordneter zum Nationalrat. Ab Herbst 2022 Generalsekretär der ÖVP, seit Anfang Jänner geschäftsführender Parteichef