Wir atmen jeden Tag über 25.000 Mal ein und aus. Meist geschieht das völlig automatisch und unbewusst. Wir zeigen Ihnen, wie Sie mit bewusster Atmung in wenigen Sekunden zu Gelassenheit finden.

Leise und unermüdlich versorgt unsere Lunge unser Blut mit Sauerstoff und transportiert Kohlendioxid ab. Wir atmen täglich 10.000 bis 20.000 Liter Luft ein und aus. In jeder Minute fließen dabei bis zu sechs Liter Blut durch die Lunge. Streiken die Lungen und setzt die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff aus, kann das ­Gehirn nur maximal zwölf Minuten überleben. Doch die Atmung ist weit mehr als nur ein Mittel zur Sauerstoffversorgung des Körpers. Sie ist eine kraftvolle ­Heilungsquelle, die uns hilft, unser Nervensystem zu beruhigen, unser Immunsystem zu stärken und unseren Geist zu klären.

Das Schöne daran: Jeder kann sie nutzen. Es braucht keine Medikamente oder teure Therapien – nur die Bereitschaft, sich auf den Atem zu konzentrieren. Wie schaffen wir das? Während Babys ­hauptsächlich die Bauchatmung nutzen, scheinen wir Erwachsenen das richtige Atmen verlernt zu haben. Wir begnügen uns mit der Brustatmung, die in der Regel nur die oberen zwei Drittel der Lunge füllt. Durch Stress, Verspannungen, schlechte Körperhaltung und schädliche Angewohnheiten atmen wir gepresst, flach oder zu schnell. Manchmal halten wir sogar unbewusst den Atem an. Unser System erhält so zu wenig Sauerstoff – eine der Folgen ist schnelle Ermüdung und damit einhergehende Erschöpfung.

Die Wirkungen der Bauchatmung

Im Gegensatz zur flachen Brust­atmung bewegt sich bei der Bauch­atmung – auch Zwerchfellatmung genannt – der Bauchraum sichtbar nach außen und innen. Das Zwerchfell, der wichtigste Atemmuskel, wird dabei ­aktiv genutzt. Es zieht sich zusammen und senkt sich nach unten, was den Lungen mehr Raum gibt, sich mit Luft zu ­füllen. Dadurch dehnt sich der Bauch nach außen. Beim Ausatmen entspannt sich das Zwerchfell wieder, es bewegt sich nach oben, der Bauch zieht sich zurück und die Luft wird aus den Lungen gepresst.

Diese tiefere und effektivere Atemtechnik sorgt für eine bessere Sauerstoffversorgung des Körpers. Die Bauchatmung aktiviert das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Sie verlangsamt die Herzfrequenz und senkt den Blutdruck, wodurch ein Zustand der Ruhe eintreten kann. Durch die kontinuierliche Bewegung des Zwerchfells wirkt sie außerdem verdauungsfördernd und entspannt angeblich sogar die Rückenmuskulatur.

Die gesundheitlichen Vorteile einer tiefen und bewussten Atmung sind enorm:

  • Stressreduktion
  • eine verbesserte Lungenfunktion
  • emotionale Ausgeglichenheit
  • die Stärkung des Immunsystems
  • die Förderung der Konzentration

Die tiefe Atmung hilft, den Geist zu fokussieren und im gegenwärtigen Moment zu bleiben, sie fördert die geistige Klarheit und hilft, Emotionen besser zu regulieren. Bei vielen Entspannungstechniken, bei Yoga und Meditation steht deshalb die Atmung im Zentrum. Yogis glauben an den Atem als Kraftquelle für Körper und Geist, die yogische Atmung ist ein Schlüsselelement jeder Praxis. Aber nicht nur im Yoga, der Atem hat in allen Weltkulturen und Religionen eine herausragende Stellung. In vielen Kulturen und philosophischen Traditionen wird der Atem als Träger der Lebensenergie und als Ausdruck des Geistes betrachtet. Man geht in vielen Kulturkreisen davon aus, dass dem Körper erst mit dem Atem das Leben „eingehaucht“ werde. In der Bibel steht das Wort „Odem“ für den Geist Gottes, wodurch der Mensch zu einer lebendigen Seele kommt.

SOS-Atemübungen zur schnellen Hilfe

Am besten Sie versuchen es selbst einmal und beobachten, ob sich die heilende Wirkung des Atems auch bei Ihnen entfalten kann. Wir stellen Ihnen zur schnellen Hilfe bei Panikattacken, bei Stress und Anspannung, zum besseren Einschlafen und bei Energielosigkeit sowie bei Schmerzen jeglicher Art einfache, aber wirksame Atemübungen vor. Denn Stress kann man wegatmen, mit einfachen Übungen wird der Schlaf gefördert, chronische Schmerzen können durch bewusste Atemtechniken gelindert werden. Mit den folgenden Atemübungen können Sie in der Akut-Situation schnell viel erreichen. Sie sind jederzeit anwendbar und bedürfen keiner Vorbereitung.

Atemübung bei Panik­attacken

Verspüren Sie ­starkes Herzklopfen, Ihr Puls rast, dazu kommen Zittern, Schwitzen, Atemnot, Schwindel und Übelkeit: Bei einer Panikattacke hilft sofort die ­sogenannte Embryostellung (Anmerkung: Seitenlage, mit angewinkelten ­Beinen bis zur Brust, die Arme verschränkt oder in der Nähe der Beine. ­Diese Stellung nennt man so, weil sie
der eines Babys im Mutterleib ähnelt). Die Päckchenstellung, die der Embryohaltung gleicht, verlangsamt den Blutfluss und lässt Sie sofort ruhiger werden.

  • Variante 1: Gehen Sie hüftbreit in die Hockstellung. Legen Sie die Hände überkreuz auf die gegenüberliegende Schulter oder den Oberarm. Senken Sie die Stirn auf die verschränkten Arme und atmen Sie unter den Armen durch.
  • Variante 2: Setzen Sie sich auf einen Stuhl. Legen Sie Ihren Oberkörper auf den Oberschenkeln ab. Führen Sie die Arme unter den Knien durch, greifen Sie die gegenüberliegenden Ellbogen und ziehen Sie sich zu einem kleinen Paket zusammen. Atmen Sie zwischen den Knien hindurch.

Bleiben Sie in der Stellung, solange Sie wollen und genießen Sie das Gefühl. Atmen Sie ruhig und tief. Kommen Sie langsam und behutsam ­wieder nach oben, um Schwindel zu ­vermeiden, indem Sie zu schnell ­aufstehen.

Atemübung bei Stress und Anspannung

Sind wir gestresst, begibt sich der Körper in den Flucht- und Kampfmodus: Das Herz klopft schneller, Muskeln spannen sich an, Blutdruck und Atemfrequenz steigen. Den Puls können wir nicht beeinflussen, wohl aber die Atmung. Diese Übung ist perfekt, um nach einem Tag voller Anspannungen aus der Stressspirale zu entkommen.

Stellen Sie sich fest auf den Boden. Der Stand ist schulterbreit, die Knie sind leicht gebeugt. Ziehen Sie die Arme über die Seite nach oben über den Kopf. Dabei atmen Sie laut und hörbar durch die Nase zuerst in die Brust und dann weiter in den Bauch ein. Während Sie die Arme nach unten bewegen, atmen Sie hörbar und tief durch den Mund aus. Machen Sie auf diese Weise zehn tiefe Atemzüge, indem Sie im Rhythmus mit der Atmung die Arme langsam auf und ab bewegen. Nach und nach breitet sich Entspannung aus. Nach der Atemübung stellt sich eine herrliche Ruhe ein. Das Herz wird ruhig, die Atmung völlig entspannt. Alles kribbelt. Mit geschlossenen Augen werden Sie innere Ruhe und Entspannung empfinden. Der Druck im Bauchraum sollte nachgelassen haben und eine befreite Atmung möglich sein.

Atemübung bei Schlafstörungen und Einschlafproblemen

Wenn Sie sich abends vor dem Schlafengehen unruhig fühlen und das Gedankenkarussell nicht aufhört zu kreisen, bringt diese Übung Linderung. Machen Sie diese Übung direkt vor dem Schlafengehen, um runterzukommen, abzuschalten und schließlich vollständig loszulassen.

Legen Sie sich ins Bett. Strecken Sie sich, und versuchen Sie, alle Spannung loszulassen. Liegen Sie einfach nur da. Atmen Sie tief durch die Nase in den Bauch und anschließend durch den Mund aus. ­Atmen Sie hörbar ein und aus. Konzentrieren Sie sich auf das Geräusch und das Gefühl des Atems. Konzentrieren Sie sich nur auf den Fluss der Atmung und folgen Sie den eigenen Atemzügen, bis sie leiser werden. Sie atmen schon ruhiger und sanfter, bleiben aber konzentriert. Sie spüren, dass Sie müde und schwer ­werden und atmen ganz sanft weiter, bis Sie ­einschlafen.

Atemübung bei Energielosigkeit

Wenn Sie sich schlapp und kraftlos fühlen und nichts hilft, um aus dem Energieloch herauszukommen, versuchen Sie es doch mit dieser Übung.

  • Variante 1: Sie stehen fest auf dem Boden, die Füße sind schulterbreit. Machen Sie kleine Wipp- oder Hüpfbewegungen: Wippen Sie mit den Fersen in die Luft. Wenn es geht, leicht abspringen. Beim Hochwippen die Schultern kurz und intensiv zu den Ohren ziehen und tief durch die Nase in den Bauch einatmen. Beim Weg nach unten ausatmen und die Schultern locker nach unten fallen lassen.
  • Variante 2: Diese Variante ist kurz und intensiv: Springen Sie, solange Sie wollen und können. Dabei intensiv ein- und ausatmen. Sie werden anschließend eine großartige Energie und ein intensives Kribbeln im Körper spüren. Jetzt sind Sie garantiert wieder wach!

Atemübung bei Schmerzen

Die Übung hilft bei Schmerzen aller Art. Das mag erst einmal seltsam klingen, schließlich können Schmerzen ja ganz unterschiedliche Ursachen haben. Es geht in diesem Fall auch nicht um Heilung, sondern um eine Entlastung des Körpers. Indem Sie sich auf die Atmung konzentrieren, kann sich Ihr Körper entspannen, und vorhandene Schmerzen erhalten vom Gehirn weniger Aufmerksamkeit.

Legen Sie sich bequem auf den Rücken, die Beine lang ausgestreckt. Versuchen Sie sich zu entspannen. Legen Sie eine Hand auf den Bauch und spüren Sie, wie sich der Bauch gegen Ihre Hand langsam hebt und senkt. Dabei ist es wichtig, die Atmung nicht zu beeinflussen, sondern beobachten Sie einfach, was geschieht, auch wenn es eine kleine Bewegung ist. Atmen Sie ruhig durch die Nase oder den Mund in den Bauch. Machen Sie das so lange, bis Sie merken, dass Ihre Schmerzen etwas nachlassen.

Die verschiedenen Übungen helfen – das können Sie selbst ausprobieren – dabei, sich zu entspannen, wirken effektiv gegen Stress und bewirken Energieschübe, die kein Kaffee auslösen könnte. Die heilende Kraft der Atmung steht jedem und ­jeder zur Verfügung und erinnert uns ­daran, dass viele Lösungen für unsere ­gesundheitlichen Herausforderungen in den einfachen, alltäglichen Dingen zu finden sind. Wenn wir lernen, unseren Atem richtig zu nutzen, kann er ein kraftvolles Werkzeug auf unserem Weg zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden sein.

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