Nach Rücktrittsgedanken nimmt Shiffrin Gesamtweltcup-Rekord ins Visier – Prägende Leidenszeit mit Kilde – Den US-Wahlkampf verfolgt sie mit Sorge

Den Vergleich als Taylor Swift des Skisports tut sie grinsend ab. Geht alles seinen Gang, wird Mikaela Shiffrin in diesem Ski-Winter die nächsten Fabelmarken auf ihrem Kurs zur Allzeitgröße auf der Piste knacken. Zum 100. Weltcupsieg fehlen nur noch drei Siege, bleibt die US-Amerikanerin verletzungsfrei, ist ihr der sechste Triumph im Gesamtweltcup nur schwer zu nehmen. Und doch haben die Negativerfahrungen der Vorsaison Einschnitte bei der 29-Jährigen hinterlassen.

Sturz samt Verletzungspause  

Als erste Konsequenz lässt sie die Abfahrt sausen. Ein Grund für den Verzicht auf die schnellste Disziplin ist ihr schwerer Sturz samt Verletzungspause vergangene Saison in Cortina d’Ampezzo. Shiffrin erzählte von Timing-Problemen vor dem Unfall. Fast 50 Tage war sie nach ihrem überraschenden Sieg in St. Moritz nicht auf Abfahrtsskiern gestanden. “Mehr Super-G, aber keine Abfahrt in dieser Saison”, lautet der neue Zugang.

Als oberstes Saisonziel will Shiffrin “buchstäblich so bleiben, wie ich bin”. Die Rückeroberung des Gesamtweltcups von Lara Gut-Behrami lobt sie als “meinen Leitstern” für den WM-Winter aus. Mit der sechsten großen Kugel würde sie mit Rekordsiegerin Annemarie Moser-Pröll gleichziehen. In Sachen Hunderter hält sie den Ball flach, lässt aber durchblicken, dass ihr an der Marke ähnlich viel wie an der Verbesserung des Rekordes von Ingemar Stenmark (86 Siege) liegt. Platzierungsziele im herkömmlichen Sinn habe sie schon länger nicht mehr. “Ich will einfach so weitermachen wie bisher und hart arbeiten.”

Schwierige Monate liegen hinter ihr. Das Schicksal ihres Partners Aleksander Aamodt Kilde, der sich in Wengen schwere Bein- und Schulterverletzungen zuzog, war ein Schlag. Shiffrin spricht von einem lebensverändernden Moment, wie es der Tod ihres Vaters Jeff 2020 war. Das Ski-Traumpaar sinnierte offenbar sogar über einen gemeinsamen Rücktritt. “Es gab Momente, in denen wir uns müde gefühlt haben.” Zumindest symbolisch rückten sie mit der Verlobung im April noch näher zusammen. Der Ring wurde so designt, dass er auch im Rennhandschuh passt.

Vom Comeback weit entfernt 

Während Shiffrin wieder durchstartet, ist Kilde auch neun Monate nach dem Malheur vom Comeback weit entfernt. Im Juli musste der norwegische Abfahrer wegen einer Infektion in der Schulter erneut unters Messer. “Wir dachten, er hat es überstanden. Umso schwieriger war es”, sagte Shiffrin. Kilde betonte indes sein Ziel, noch einmal in den Weltcup zurückzukommen. Weil er wegen anhaltender Antibiotika-Einnahme nur eingeschränkt trainieren kann, hat er sich mittlerweile für ein Londoner Fernstudium (Finanz- und Immobilien) eingeschrieben.

Auch Shiffrin macht sich Gedanken über die Zukunft. “Irgendwann will ich eine Familie haben, es gibt andere Dinge, die ich erleben will – all das wird Jahr für Jahr wichtiger.” Noch liegt ihr Fokus auf dem Sport. “So lange die Motivation und Bereitschaft da sind, Opfer zu bringen, werde ich weitermachen.” Seine gemeinsame “Homebase” hat das Paar seit einiger Zeit in Innsbruck. Dass sie auch nach der Karriere in Tirol bleiben, schließen beide eher aus.

Selbstbestimmungsrecht von Frauen

Das gesellschaftliche Klima in ihrer Heimat macht Shiffrin Sorgen. Besonders beschäftigt sie das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und die Abtreibungsdebatte in den USA. “Es gibt eine Menge Leute, die kein Problem damit zu haben scheinen, Frauen vorzuschreiben, wie sie mit ihrer eigenen Gesundheit umgehen. Das ist beängstigend. Ich bin besorgt.”

Im Endspurt der US-Präsidentschaftswahlen will sie daher ihre Reichweite nutzen, um öffentlich zum Urnengang aufzurufen. Eine Wahlempfehlung für Kamala Harris – wie es etwa Popikone Taylor Swift vorgemacht hat – wird sie ihren knapp 1,5 Millionen Instagram-Followern nicht geben. “Ich weiß, dass meine Stimme ein gewisses Gewicht hat. Ich möchte aber niemandem vorschreiben, was er zu tun hat.”

Vergleiche mit Swift tut die Meinungsführerin im Alpin-Sport ab. Obwohl Swifts Songs ein treuer Wegbegleiter für sie sind und es Parallelen zu ihrem Sport in Sachen Rhythmus gäbe. Nicht zuletzt hat Shiffrin für sich selbst einen künstlerischen Anspruch. Der Skisport vereine brachiale Stärke mit einer gewissen Schönheit. “Mit dieser Balance zwischen Brutalität und Schönheit will ich spielen. Da gibt es kreative Zugänge, die man sich abschauen kann”, erklärte Shiffrin.

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