Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser stand in der alles entscheidenden Berufungsverhandlung um sein Buwog-Urteil vor dem Obersten Gerichtshof.
Es ist schon von den Zeiträumen eine besondere Sache: 21 Jahre nach der mutmaßlichen Tat, 16 Jahre nach Beginn der Ermittlungen und mehr als vier Jahre nach dem Ersturteil beriet der OGH über das Buwog-Urteil gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP), seinen Trauzeugen Walter Meischberger sowie andere Verurteilte wie den Ex-PR-Unternehmer Peter Hochegger.
Grasser war äußerst schweigsam
KHG und “Meischi” waren vor Gericht erschienen, bei ihnen geht es um acht bzw. sieben Jahre Haft, zu denen sie von Richterin Marion Hohenecker 2020 verurteilt worden waren. Beide waren sie ungewohnt schweigsam. “Um 10 Uhr beginnt der Frühling”, war das Einzige, was Grasser zu Protokoll gab. “Ansonsten will ich wirklich nichts sagen.” Doch sein Anblick sprach Bände, Grasser wirkte mehr als angespannt, drohte ihm doch jetzt tatsächlich Gefängnis.
Der erste Tag war der Tag der Verteidigung
Grasser fuhr gleich drei Anwälte auf, und die nahmen vor allem die Richterin ins Visier. “Das Verfahren war nicht fair”, so Grasser-Anwalt Norbert Wess zu Verfahrensbeginn. Die 168 Prozesstage im Wiener Straflandesgericht seien von Anfang an ein “juristischer Kampf” gewesen. Es habe einen objektiven Anschein der Befangenheit der Richterin gegeben. Anwalt Wess führte etwa aus, dass die Verteidigung und die Angeklagten bei der Sitzordnung benachteiligt worden seien. Wobei, als Richterin Marion Hohenecker an Tagen mit weniger Angeklagten diese von den gepolsterten Sesseln auf die harte Anklagebank gebeten hatte, war die Begeisterung der Angeklagten überschaubar. Ebenfalls kritisiert wurden von Wess umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen im Gericht, auch in den Pausen.
Prozess “politisch motiviert”
Vor Wess hielt sich der zweite Grasser-Verteidiger, Manfred Ainedter, noch kurz: Der Prozess am Landesgericht Wien sei “politisch motiviert” gewesen, das 1.300 Seiten lange Urteil werde “einer Prüfung nicht standhalten”. Einmal mehr wurde die lange Verfahrensdauer kritisiert. Ainedter sprach von einem “eklatanten Fehlurteil”, im Übrigen sei der Republik kein Schaden entstanden.
Nach den Rechtsvertretern vom Erstangeklagten Grasser war Anwalt Michael Dohr für den Zweitangeklagten Walter Meischberger am Wort. Er betonte, egal wie die Causa ausgeht, es werde nur Verlierer geben – selbst bei Freisprüchen. Dies sei der langen Verfahrensdauer und der medialen Vorverurteilung geschuldet. Richterin Hohenecker sei voreingenommen gewesen, es habe des Weiteren Verfahrensmängel gegeben, wie etwa die Sitzordnung oder Ton- und Bildmitschnitte im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Fazit von Dohr: “Man kann zumindest Gerechtigkeit walten lassen und meinen Mandanten freisprechen.”
Zuständigkeit von Richterin Hohenecker angezweifelt
Sehr kurz hielt sich der Verteidiger von Peter Hochegger. Der Ex-Lobbyist und ehemalige Besitzer einer der größten PR-Agenturen des Landes war heute aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend. Die Rechtsvertretung von Ex-Immofinanzchef Petrikovics wiederum stieß sich daran, dass das Verfahren beim Straflandesgericht überhaupt Richterin Hohenecker zugewiesen wurde, dies sei nicht rechtskonform erfolgt.
Grüne reklamieren Aufdeckung des Skandals für sich
Grünen-Chef Werner Kogler verwies am Donnerstag in einer Stellungnahme auf den großen Verdienst seiner mittlerweile verstorbenen Kollegin Gabi Moser bei der Aufarbeitung der Causa Buwog. “Gabi Moser startete eine Anfragenserie an die Schwarz-Blaue Regierung wegen des geplanten Verkaufs der Buwog. Rasch wurde sie von der Gegenseite mit Millionenklagen eingedeckt und mit vielen Hindernissen konfrontiert. Dennoch blieb Gabi über viele Jahre an der Sache dran. Ohne dich hätte es diesen Prozess wahrscheinlich nie gegeben. Danke Gabi”, so Kogler.
Vor den ausführlichen Stellungnahmen der Grasser-Verteidiger war die Berichterstatterin des OGH-Senates am Wort. Sie startete ihre Ausführungen damit, dass es in dem OGH-Verfahren um die drei Themenkomplexe Buwog, Terminal Tower Linz und Telekom Austria geht. Grasser betreffe der Vorwurf der Untreue und Korruption als unmittelbarer Täter. Weiters gehe es auch um Beweismittelfälschung und Geschenkannahme durch Beamte. Grasser habe in Wien und an anderen Orten seine Befugnisse wissentlich zum Schaden der Republik missbraucht.
Der Berufungsprozess am OGH ist für vier Tage anberaumt. Für den Hauptangeklagten Grasser geht es um viel, er wurde im Dezember 2020 zu acht Jahren Haft verurteilt, sein damaliger Freund und Lobbyist Walter Meischberger erhielt sieben Jahre.
Die Verhandlung am OGH ist der (vorläufige) Schlussstrich unter einen Immobiliendeal, der seit nunmehr 21 Jahren die Republik beschäftigt. Damals gingen rund 60.000 Bundeswohnungen um 961 Mio. Euro an ein Konsortium rund um die Immofinanz, der unterlegene Bieter CA Immo hatte gerade einmal 1 Mio. Euro weniger für die Wohnungen geboten. Das sorgte zwar für Überraschung; dass diese Privatisierung möglicherweise geschoben war, stellte sich aber erst ein paar Jahre später heraus, als bekannt wurde, dass zwei Grasser-Freunde – Meischberger und Hochegger – bei dem Immofinanz-Deal 9,6 Mio. Euro an Provision mitgeschnitten hatten.
Woher kam der Tipp für die Angebotshöhe?
Die Frage lautete danach: Hatte Grasser seinen Freunden, die die Immofinanz berieten, verraten, wie hoch das Angebot für einen Zuschlag sein müsse und damit die Republik geschädigt? Der Ex-Finanzminister verneint das bis heute wortreich.
Im Vorfeld wurde von mehreren Medien von einem möglichen Problem der wiederholten Strafverfolgung berichtet. Die Senatspräsidentin Christa Hetlinger erklärte dazu, dass der OGH sich den Einstellungsbeschluss des Landesgerichts Wien zustellen ließ. “Das ist nichts Außergewöhnliches. Nur um Missverständnisse zu vermeiden”, ergänzte Hetlinger.
Im Jahr 2019 wurde ein Verfahren eingestellt, in dem es um den Vorwurf ging, dass Grasser durch den Gesamtverkauf der Wohnungen zu wenig einnahm. Die Untreue-Vorwürfe gegen Grasser wurden damals fallen gelassen. In Österreich gilt der “ne bis in idem”-Grundsatz – das bedeutet, dass man nicht zweimal für den gleichen Sachverhalt rechtskräftig verurteilt werden kann.