ÖRV-Generalsekretär Rehulka verlangt, dass die Lohnabschlüsse unter der Teuerung, jedoch maximal auf Inflationsniveau liegen. Der Grund: Hohe Lohnkosten, weniger Wettbewerbsfähigkeit, Raiffeisen Research sieht Österreich als “kranken Mann Europas”

Österreich ist beim Wirtschaftswachstum “der kranke Mann Europas”, sagt der Leiter von Raiffeisen Research, Gunter Deuber. Ein wesentlicher hemmender Faktor seien die hohen Lohnkosten. Nach Ansicht von Johannes Rehulka, Generalsekretär des Raiffeisenverbandes, sollten deshalb die Abschlüsse bei den Ende Oktober beginnenden KV-Verhandlungen “unter, maximal auf dem Inflationsniveau” liegen.

Österreich mit vierthöchster Steuer- und Abgabenquote in ganz Europa 

Der Wirtschaftsstandort Österreich habe viele Stärken, sagte Rehulka am Montag bei einem Pressegespräch in Wien: Das seien eine sehr gute Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein verlässlicher Rechtsrahmen und auch die geographische Lage. Allerdings habe Österreich auch die vierthöchste Steuer- und Abgabenquote in ganz Europa, im internationalen Vergleich sehr hohe Lohn- und Energiekosten und ein Problem mit der Bürokratie.

“Wir sind im zweiten Rezessionsjahr in Österreich, das hat es so in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben.” Österreich sei in Europa auch Schlusslicht beim realen BIP-Wachstum pro Kopf.

Wachstumsproblem

Europa habe generell ein Wachstumsproblem, aber speziell Österreich sei “der kranke Mann Europas”, sagte Deuber. “Wir werden aller Voraussicht nach erst 2026 wieder das BIP-Niveau von 2022 erreichen.”

Ein Grund dafür seien “extrem hohe Kollektivvertragsabschlüsse”, sagt Rehulka, der für die Banken die KV-Verhandlungen Ende März leiten wird. “Gerade seit zwei Jahren, seit 2022, hat sich diese österreichische Logik, dass man die Inflationsrate aus dem Vorjahr als wesentliches Kriterium für die KV-Erhöhungen festlegt, leider fortgesetzt. Das hat zu Wachstumsraten von über 20 Prozent geführt in den vergangenen zwei Jahren, und ist natürlich für Investoren und auch für Unternehmen mäßig attraktiv.”

“Arbeitsstunden pro Kopf und die Produktivität in Österreich sinken” 

Die Arbeitsstunden pro Kopf und die Produktivität würden in Österreich sinken und bei den Investitionen sehe man aktuell eine große Zurückhaltung – nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei den Privaten. “Die Privaten wurden ganz stark gefördert in den vergangenen Jahren, mit unterschiedlichsten öffentlichen Förderprogrammen – das schlägt sich überhaupt nicht im Konsum nieder.” Stattdessen steige die Sparquote weiterhin stark.

Kurzfristig brauche man für Unternehmen deshalb klare Investitionsanreize. Eine Investitionsprämie in moderatem Ausmaß, zum Beispiel 7 Prozent, wäre sinnvoll und könnte das Wachstum unterstützen, meinte Deuber. Kurzfristig auf eine radikale fiskalische Konsolidierung ohne strukturelle Maßnahmen zu setzen, mache hingegen keinen Sinn. Dennoch gebe es auch Einsparungspotenzial, sagte Rehulka. So gebe es bei den Förderungen “einen Bauchladen an Förderungen, die man sich genau anschauen muss.” Als Beispiel nannte er den Klimabonus, der “undifferenziert” ausbezahlt werde.

Baubranche in der Krise

Ein besonderer Bereich sei die Baubranche, die sich seit zwei Jahren in der Krise befinde. Im Frühjahr habe die Regierung ein Konjunkturpaket für den Wohnbau in Höhe von rund 2 Mrd. Euro beschlossen – “ein sinnvolles Programm zum richtigen Zeitpunkt”, so Rehulka. Allerdings sei der Wohnbau Bundesländer-Materie und das Paket komme nur langsam ins Laufen, weil einzelne Bundesländer – Wien und Kärnten – es noch nicht umgesetzt hätten.

Außerdem brauche man bessere Rahmenbedingungen für Immobilienfinanzierungen: Die KIM-Verordnung, deren Ziel, eine Immobilienblase zu verhindern, schon lange erreicht worden sei, gelte noch immer. Überdies habe das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) am Donnerstag zusätzliche Kapitalpuffer für Gewerbeimmobilien-Finanzierungen empfohlen. “Wir sind sehr stark der Ansicht, dass diese Maßnahmen zum falschen Zeitpunkt kommen.”

Langfristig brauche man eine Senkung der Lohnsteuern und der Lohnnebenkosten sowie eine Steigerung der Produktivität und der Vollzeitarbeit, sagte Rehulka. Eine Schuldenbremse wie in der Schweiz oder in Schweden sollte sich am BIP-Wachstum orientieren.

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