Die genervte Richterin, in diesem Fall Vizepräsidentin Christina Salzborn, verlegte die Verhandlung wegen unzumutbarem Lärm auf Mitte Juni – seit Monaten schon herrschen aufgrund der (Um-)Bauarbeiten schwierige Arbeitsbedingungen im Grauen Haus.
Wien. Am Wiener Landesgericht für Strafsachen wurde am Montag eine Verhandlung abgebrochen und auf Mitte Juni verlegt. Angeklagt war ein Nazi mit entsprechendem Hakenkreuz-Tattoo am Hals, der eine 11-jährige Nichte entführt, in der Bettzeuglade versteckt und zwei Polizisten in Döbling verprügelt haben soll, wegen Kindesentziehung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, mehrfacher schwerer Körperverletzung, schwerer Sachbeschädigung sowie nach dem Verbotsgesetz. Doch schon bei Aufnahme der Generalien wurde der Baulärm immer lauter – es dröhnte, klopfte und hämmerte unentwegt.
Aus Sicht von Vizepräsidentin Christina Salzborn, die den Prozess leitete, wäre es den Geschworenen gegenüber demnach nicht vertretbar gewesen, die Verhandlung durchzuziehen. „Man hat teilweise sein eigenes Wort nicht verstanden. Ein faires Verfahren war so nicht gewährleistet“, meinte Verteidigerin Anita Schattner.
Seit Monaten werden Verhandlungen im Grauen Haus von einer mitunter unerträglichen Geräuschkulisse begleitet. Speziell in jenen Sälen, die zur angeschlossenen Justizanstalt (JA) ausgerichtet sind, kommt es regelmäßig zu anhaltend dezibelstarken Schlagbohr- und Stemmarbeiten. Beschuldigteneinvernahmen, Zeugenaussagen und die Ausführungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gehen teilweise im Lärm unter. Speziell für Schriftführerinnen, die die Verhandlungen zu protokollieren haben, stellen die enervierenden Begleitgeräusche eine enorme Herausforderung dar.
Umbauarbeiten bei laufendem Betrieb
Das Landesgericht und die JA Josefstadt werden seit Herbst 2023 bei laufendem Betrieb saniert. Über 110 Einzelmaßnahmen sind in acht Bauphasen vorgesehen. Im Gerichtsgebäude liegt das Hauptaugenmerk auf der Sanierung der Verhandlungssäle, Büros und Sanitärräume. Die ehemalige Kantine soll zu Büros umfunktioniert, ein neues Servicecenter errichtet werden. In der JA Justizanstalt werden Großhafträume in kleinere, zeitgemäßere Hafträume umgestaltet, was die Haftbedingungen nachhaltig verbessern soll. Die Sonderkrankenanstalt wird saniert, eine moderne Sicherheitszentrale neu errichtet. Mit der Fertigstellung des Justizzentrums für Strafsachen Wien ist voraussichtlich 2032 zu rechnen.
Aus Sicht des Personals, das bei den im Grauen Haus angesiedelten Justizbehörden tätig ist, aber vor allem für die rechtssuchende Bevölkerung präsentiert sich das größte Gericht des Landes auch abgesehen von baustellenbedingten Lärmentwicklungen derzeit nicht gerade von seiner Schokoladenseite. Seit der Auflassung des Buffets, das der Großbaustelle zum Opfer gefallen ist, gibt es keine geeigneten Räumlichkeiten, um Wartezeiten zu überbrücken. Im öffentlich zugänglichen Bereich des Landls gibt es keinen einzigen Kaffee- bzw. Getränkeautomaten mehr. Seit Ende 2024 kann der Trakt mit den Verhandlungssälen ausschließlich über den Zugang in der Wickenburggasse betreten werden – die Menschenschlangen bei der Sicherheitskontrolle im Eingangsbereich stauen sich seitdem in morgendlichen Spitzenzeiten teilweise bis hin zum Gehsteig.