Von Lara Güven
„Selbst die Ansicht, ein Mann hat einen Penis und eine Frau nicht, gilt inzwischen in Teilen der Ampel-Koalition als problematisch“, wetterte CDU–Bundestagsabgeordneter Jens Spahn in der Welt am Sonntag. Grund für Spahns Aufregung: das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) der Ampel-Koalition, welches vor Beginn der Sommerpause am 7. Juli im Bundestag diskutiert werden soll.
Die Einführung des Gesetzes ist seit Beginn der Regierungszeit im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP verankert und soll transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ein leichteres Ändern des Vornamens und des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister ermöglichen.
Was bedeutet eigentlich…?
- trans
beinhaltet alle Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde.
- nicht-binär
bezeichnet Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren.
- intergeschlechtlich
sind Menschen, die Geschlechtsmerkmale haben, die nicht nur männlich oder weiblich sind.
In Österreich braucht es für eine Personenstandsänderung die Stellungnahme eines Arztes und eine Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des Geschlechts
Veraltetes Gesetz
Auf dem Papier soll das SBGG das 1981-eingeführte Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Ihm liege ein „medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit“ zugrunde, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf.
Denn bisher braucht es für eine Geschlechtsänderung zwei Gutachten von Sachverständigen und die Zustimmung eines Amtsgerichts. Bei den Gutachten müssen intime Fragen über Sexualität, Vorlieben und Masturbation beantwortet werden – einer der größten Kritikpunkte der queeren Gemeinschaft.
Mit dem SBGG soll dieses Verfahren abgeschafft werden. Personen sollen einfach beim Standesamt ihr Geschlecht auf dem Papier ändern können. Gebraucht werde mur eine Erklärung der jeweiligen Person, keine ärztliche Bestätigung. Der Eintrag ist nach drei Monaten gültig und darf erst nach einem Jahr wieder geändert werden.
Die Geschlechtermöglichkeiten im Register („männlich“, „weiblich“, „divers“) sowie die Regeln zu Geschlechtsumwandlungen und Hormonbehandlungen bleiben unverändert.
Angst vor Missbrauch
Das Vorhaben der Ampel sorgt seit Monaten für Aufregung. Was Kritiker besonders anprangern: die mutmaßliche Vernachlässigung des Schutzes von Frauen vor Missbrauch, etwa in eigenen Frauenräumen wie Umkleidekabinen, und die Befürchtung, es werde zu „ständigem Wechseln des Geschlechtseintrags“ kommen.
Vor allem konservative und rechtspopulistische Politiker zeigen sich empört, doch auch Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht spricht von „ideologiegetriebener Politik, für die man in bestimmten Sekten bejubelt wird“.
Befürworter des Gesetzes richten ihre Blicke auf die 13 Länder, die bereits ähnliche Gesetze eingeführt haben, darunter Belgien, Malta und die Schweiz. Die Sorgen erwiesen sich dort als ungerechtfertigt: Es gebe dort weder ein Problem von „ständigem Geschlechtswechseln“ noch von vermehrten Missbrauchsfällen. Der grüne Queer-Beauftragte Sven Lehmann spricht von „großem Fortschritt für Grund- und Menschenrechte“.