Auch in der fünften Nacht in Frankreich nach dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel ist es zu Unruhen in mehreren französischen Städten gekommen. Die Krawalle konzentrierten sich diesmal vor allem auf Paris, Marseille und Lyon. Die Pariser Prachtstraße Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie Le Figaro berichtete. In anderen Städten war die Lage im Gegensatz zu den vergangenen Nächten weniger angespannt.
Mindestens 427 Menschen seien diesmal landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin auf Twitter. Letzte Nacht waren es am Ende 1.300 Festnahmen gewesen.
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Darmanin schrieb weiter, trotzdem sei die Nacht “dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte” eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45.000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.
Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen in Marseille unterwegs
In Marseille sei die Lage angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, teilte die Präfektur Bouches-du-Rhône laut Le Parisien mit. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.
Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort nun mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.
Auslöser war der Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel
Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten. Der 17-jährige Nahel war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es Le Parisien zufolge bis Mitternacht ruhig.
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Busse und Straßenbahnen fahren nicht in der Nacht
Die Unruhen haben Auswirkungen auf das öffentliche Leben in Frankreich. Mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Samstagabend waren zudem Demonstrationen im ganzen Land untersagt.
Den nationalen Notstand rief die Regierung allerdings bisher nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.
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Macron sagte Staatsbesuch ab
Wegen der Unruhen sagte Präsident Emmanuel Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland am Samstag ab. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Doch die innenpolitische Lage zwingt Macron, in Frankreich zu bleiben.
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