Die Abnehmspritze ist wirkungsvoll, aber reich an Nebenwirkungen. Eine Niedrig- oder Unterdosierung soll nun Übelkeit und Co. mildern. Expertin Dr. Bianca Itariu verrät im Interview, was es bringt und wem sie „Mini-Ozempic“ empfiehlt.

Baby-Botox ist uns ein Begriff. Man verwendet weniger bzw. nur eine Mini-Dosis der muskellähmenden Substanz, um die Wirkung bewusst abzuschwächen. Das Credo: Weniger ist mehr. Denn manchmal ist die volle Wirkung schlichtweg zu viel (Stichwort: Frozen-Face beim Botox) bzw. reicht eine Mikrodosierung bereits aus, um den gewünschten Effekt zu erzielen – z.B. in der Faltenvorbeugung. Ähnlich verhält es sich nun bei der Abnehmspritze, sprich den wirkungsvollen GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid, die wir unter Handelsnamen wie Wegovy, Ozempic, Saxenda und Mounjaro kennen.

Wirkung und Nebenwirkung.

Die Abnehmwirkstoffe bilden ein körpereigenes Sättigungshormon nach, senken den Blutzucker (wichtiger Faktor beim Abnehmen) und zügeln Gelüste sowie Hunger. Die Studienlage ist vielversprechend. Menschen mit Diabetes Typ 2 therapieren damit nicht nur ihre „Zuckerkrankheit“, sondern schützen mit den Substanzen auch ihre Gefäße und verlieren deutlich an Gewicht. Bei Menschen mit Adipositas kommen die Substanzen in etwas höherer Dosierung zum Einsatz, was in wenigen Monaten einen Gewichtsverlust von bis zu 15 bis 30 Prozent des Ausgangsgewichts ermöglichen kann – das sind zwei bis drei Kleidergrößen. Zudem könnten die Wirkstoffe laut ersten kleineren Studien helfen, Alzheimer vorzubeugen und Süchte, wie das Rauchen, leichter zu überwinden. Trotz aller positiven Effekte ist die Abnehmspritze mit Vorsicht einzusetzen. Denn Patient:innen klagen oft über zumeist sehr starke Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und starkes Aufstoßen.

Hier kommt nun das Microdosing ins Spiel. Denn nicht alle User:innen brauchen von Beginn an und über einen längeren Zeitraum die von der Arzneimittelbehörde empfohlene Dosierung. In manchen Fällen, erklärt Adipositas-Expertin Dr. Bianca Itariu, lässt sich auch eine gute Wirkung mit einer niedrigeren Dosierung erzielen. Von einer Mikrodosierung spricht man, wenn die Verabreichung in einer geringeren als der üblichen Dosis eines Medikaments erfolgt. Eine geringere Dosierung bedeutet auch geringere Nebenwirkungen, aber auch eine geringere Wirkung. Ganz ohne Sideeffekt kommt das Microdosing trotzdem nicht aus.

Mehr dazu verrät Dr. Bianca Itariu im Talk:

gesund&fit: Man liest in letzter Zeit viel von „Mini-Ozempic“ oder „Ozempic Microdosing“. Es wird oft mit „Baby Botox“ verglichen: eine geringere Dosierung, die eventuell einen milderen, aber dennoch ausreichend wirksamen Effekt erzielt. Ist das tatsächlich eine effektive Methode?
Dr. Bianca Itariu: Grundsätzlich wird die Dosierung eines Medikaments in klinischen Studien erarbeitet und dann in der Zulassung sowie im Beipackzettel festgelegt. Bei Erwachsenen gibt es meist fixe Dosierungen, aber da es sich bei den Abnehmmedikamenten um ein synthetisches Hormon handelt, kann es individuell unterschiedlich wirken. Deshalb hat sich in der klinischen Praxis eine gewisse Flexibilität etabliert. Wir wissen, dass ein klassisches Dosierungsschema, bei dem die Dosis schrittweise gesteigert wird, oft zu mehr Nebenwirkungen und häufigeren Therapieabbrüchen führt. Manche Patient:innen fühlen sich mit einer durchgehend niedrigeren Dosis wohler und erzielen dennoch gute Ergebnisse. Das ist der Kern des sogenannten „Microdosings“.

gesund&fit: Gibt es bereits wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit dieser Mikrodosierung?
Dr. Itariu: Ja, es gibt eine kleinere Studie mit Typ-2-Diabetes-Patient:innen, die Ozempic in sehr niedrigen Dosen (0,05 mg bis 0,1 mg) haben. Die Ergebnisse zeigen eine bessere Verträglichkeit sowie stabile Blutzuckerwerte. Das deutet darauf hin, dass niedrigere Dosierungen in bestimmten Fällen durchaus ausreichen können.

gesund&fit: Ab wann sprechen wir von Microdosing?
Dr. Itariu: Die Standard-Startdosis von Ozempic liegt bei 0,25 mg. Beim Microdosing sprechen wir von noch niedrigeren Dosierungen, etwa 0,1 mg oder darunter. Diese können individuell angepasst werden, wenn Patient:innen bereits mit der niedrigsten Standarddosis Nebenwirkungen verspüren.

gesund&fit: Welche Vorteile bietet aus Ihrer Erfahrung das Microdosing?
Dr. Itariu: In erster Linie eine bessere Verträglichkeit. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Aufstoßen treten seltener oder gar nicht auf. Zudem kann es einen stabileren Hormonspiegel im Blut bewirken. Manche Patient:innen berichten, dass sie durch diese Methode gleichmäßiger gesättigt sind und Heißhungerattacken reduziert werden. Natürlich wird es auch günstiger, wenn man weniger von dem Medikament verwendet.

gesund&fit: Kann Mini-Ozempic auch präventiv eingesetzt werden? Z. B. bei Menschen mit Prädiabetes oder leichtem Übergewicht, um ein Fortschreiten zu verhindern?

Dr. Itariu: Im Hinblick auf die Prävention gibt es noch keine belastbaren Daten. Eine offizielle Zulassung gibt es dafür nicht, daher wäre das ein sogenannter „off-label use“ (Anm.: eine Anwendung ohne Zulassung der Arzneimittelbehörden). Allerdings kann es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, insbesondere wenn der viszerale Fettanteil, also der Anteil des ungesunden Bauchfettes, erhöht ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine Gewichtsabnahme nicht vorteilhaft wäre, etwa bei Menschen mit niedriger Muskelmasse. Hier wäre statt einer medikamentösen Therapie eher gezieltes Krafttraining empfehlenswert. Denn die Abnehmspritze kann z.B. auf die Knochensubstanz gehen und Muskelmasse weiter abbauen. Aber beides brauchen wir dringend für ein langes Leben in guter Gesundheit.

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