3 Globe Awards, 10 Oscar Nominierungen und laut Wetten der ganz große Favorit. “The Brutalist” ist einer der Topfilme des Jahres und zeigt ab 31. Jänner Adrien Brody in faustischen Pakt.
Brady Corbets gewaltiges, aber unheimlich intimes dreieinhalbstündiges Epos “Der Brutalist” mit einem oscarverdächtigen Adrien Brody baut den amerikanischen Traum auf, nur um ihn an den Betonmauern seiner monolithischen Strukturen in Stücke zu zerschmettern. Ein imposantes Kunstwerk, das seinem Publikum einiges abverlangt, ihm aber auch jede Menge zurückgibt. Ab Freitag im Kino.
In der Architektur ist Brutalismus ein minimalistisches Design, das in den 1950er Jahren mindestens so populär wie provokativ war, weil es rohen Beton in monochromer Reaktion auf bloß dekorative Elemente verwendete. Auf dieselbe, schnörkellose Weise macht Brady Corbet (“Vox Lux”) Filme. Wie die imposanten, schweren und schmucklosen Strukturen des Brutalismus kann es sich absichtlich rudimentär anfühlen, hat aber eine schmerzlich-schöne Einfachheit.
Am Beginn steht die Freiheitsstatue Kopf
Es beginnt mit einer Szene, die im Grunde die gesamte Geschichte zusammenfasst. Der ungarische Jude László Tóth, gespielt von Adrien Brody, kommt gerade in New York City an, nachdem er den Holocaust überlebt hat, was einem völlig klar wird, wenn er aus dem stockfinsteren Schiffsbauch aufs Deck klettert, um einen ekstatischen Blick auf die Freiheitsstatue zu erhaschen. Doch sein erster Blick auf Amerika gilt einer kopfüber hängenden Lady Liberty mit der “Fackel der Aufklärung” nach unten – der erste symbolische Hinweis darauf, dass seine Version des amerikanischen Traums auf den Kopf gestellt werden wird. Nicht gerade subtil, aber sehr effektiv.
Das Land der “unbegrenzten Möglichkeiten” bietet dem halb verhungerten Flüchtling zunächst nur sehr wenige davon. Tóth war in seiner Heimat ein bewunderter Bauhaus-Architekt. Seine Frau Erzsébet (eine wunderbare Felicity Jones) und Nichte sitzen noch in Europa fest. Er wohnt zunächst in Philadelphia bei seinem ungarischen Cousin (Alessandro Nivola), der inzwischen komplett assimiliert ist, um dann wegen eines Streits auf der Straße zu landen, und am Bau zu arbeiten.
Da erscheint Guy Pearces (“Memento”) Harrison Van Buren auf der Leinwand – ein verführerischer, kapitalistischer Gönner mit picksüßem Charme, aber im Grunde ein machtgeiler Wohltäter im Wolfspelz. Tóth soll für ihn einen brutalistischen Betonkomplex bauen, der Denkmal, Kirche und Gemeindezentrum in einem sein soll. Ein faustischer Pakt.
Am Ende steht die Sucht
Der Architekt fühlt sich zunächst geschmeichelt, aber im Streben nach Perfektion werden die Warnsignale bewusst ausgeblendet: antisemitische Bemerkungen und eine Politik, die auf maximalen Profit abzielt. Tóth flüchtet sich in eine Heroinsucht, und was wie eine erbauliche Einwanderungsgeschichte begann, endet in einer Art “Requiem for a Dream”. “Sie wollen uns hier nicht!”, schreit László seine inzwischen in Amerika gelandete Frau an, die dem Film ein willkommenes, weiches Herz verleiht.
Der amerikanische Traum entpuppt sich als Albtraum, und Oscarpreisträger Adrien Brody (“Der Pianist”) kann malträtierte Männer mit melancholischem Blick im Schlaf spielen. Seine Geschichte beruht erstaunlicher Weise nicht auf einer wahren Begebenheit, obwohl es sich so anfühlt. Es handelt sich bei “Der Brutalist” um ein Originaldrehbuch von Corbet und seiner Co-Autorin Mona Fastvold, gedreht von Lol Crawley im körnigen VistaVision-Format.
Ein amerikanischer Film par excellence
Es ist ein ausgesprochen amerikanischer Film, der von US-Kritikern nicht selten mit “Der Pate” verglichen wird. “Ich glaube an Amerika” sind die ersten Worte, die man in Coppolas Meisterwerk hört. Die Figuren beider Filme mögen an Amerika glauben, aber es ist ein Amerika, das an Gewalt, Heuchelei und den Gott des Kapitalismus glaubt.