Die Hamas hat am Samstag im Gazastreifen den Österreicher Tal Shoham und die Langzeitgeisel Avera Mengistu an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben.  

Die Hamas hat am Samstag im Gazastreifen den Österreicher Tal Shoham und die Langzeitgeisel Avera Mengistu an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Später sollen in Nuseirat im zentralen Abschnitt des Gazastreifen vier weitere Geiseln übergeben werden. Shoham wurde gezwungen, einige Worte zu sagen. Vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer in Uniformen inszenierten die Übergabe erneut mit einer Bühne, lauter Musik und palästinensischen Fahnen.

Insgesamt sollen am Samstag sechs israelische Geiseln entlassen werden. Im Gegenzug kommen 602 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei. Darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen. Die Geiseln sollen nach der Übergabe zu einem nahe gelegenen Stützpunkt der israelischen Armee gebracht werden, wo sie ihre Familien erstmals wiedersehen. Anschließend sollen die Männer in Krankenhäuser im Zentrum des Landes geflogen werden.

Shoham war seit über 16 Monaten im Palästinenser-Gebiet festgehalten worden. Er wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 als Teil eines damaligen Abkommens zwischen Israel und der Hamas frei.

Neben dem austro-israelischen Familienvater Shoham (40) sollen auch die drei vom Nova-Festival entführten jungen Israelis Omer Shem-Tov (22), Omer Wenkert (23) und Eliya Cohen (27) sowie die andere Langzeitgeisel Hisham al-Sayed (36) freikommen. Sayed und Mengistu werden beide bereits seit rund zehn Jahren im Gazastreifen festgehalten. Die als psychisch krank beschriebenen Männer waren 2015 bzw. 2014 in das Gebiet eingedrungen.

Außenministerium über Freilassung Shohams erleichtert

Erleichtert über die Freilassung von Shoham zeigte sich das Außenministerium in Wien. “505 Tage lang haben wir mit der Familie gebangt, gehofft und gewartet. Wir sind unglaublich erleichtert und überglücklich, dass Tal Shoham endlich freigelassen wurde und nun zu seiner Familie zurückkehren kann. Wir wünschen Tal und seinen Lieben, dass sie das Erlittene gemeinsam fernab der Öffentlichkeit verarbeiten können”, hieß es in einer Aussendung am Samstag.

Österreich habe sich seit dem 7. Oktober 2023 auf allen politischen und diplomatischen Ebenen sowie im Sicherheitsbereich intensiv für die Freilassung von Shoham und der anderen Geiseln eingesetzt. Bundeskanzler und Außenminister Alexander Schallenberg sowie sein Vorgänger Karl Nehammer (beide ÖVP) seien dazu in engem, vertrauensvollen Kontakt mit Partnern aus der Region gewesen. Der Dank Österreichs gelte allen Partnern, insbesondere Katar, Ägypten und den USA, denen man für die enge Zusammenarbeit danken möchte, so das Außenministerium weiter.

Kibbuz in Israel: Frauenleiche ist die von Shiri Bibas

Unterdessen wurde eine am Freitagabend von der Hamas übergebene Frauenleiche identifiziert. Der Kibbuz Nir Oz bestätigte am Morgen, es handle sich um die Leiche der verschleppten Geisel Shiri Bibas. Die sterblichen Überreste der Deutsch-Israelin hätten eigentlich zusammen mit denen ihrer beiden kleinen Söhne am Donnerstag an Israel übergeben werden sollen. In dem Sarg, den die Hamas an dem Tag an das Rote Kreuz ausgehändigt hatte, befand sich jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung – ob wissentlich oder versehentlich – hatte in Israel große Empörung ausgelöst.

Schon in der Nacht auf Freitag hatte die israelische Armee den Tod von Shiris beiden kleinen Kindern Ariel und Kfir Bibas bestätigt. Sie seien bereits im November 2023 von den Kidnappern ermordet worden. Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.

Mann soll während gesamter Geiselhaft angekettet gewesen sein

Palästinensische Terroristen entführten Shem-Tov, Wenkert und Cohen vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geiselfamilien, in dem sie sich unter Leichen versteckte. Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten.

Sayed ist ein israelischer Araber, der die Grenze in den Gazastreifen 2015 auf eigene Faust überquert hatte. Gleiches gilt für den in Äthiopien geborenen Mengistu, der bereits seit 2014 in der Gewalt der Hamas ist. Die Hamas veröffentlichte auch Aufnahmen der beiden, im Jahr 2022 wurde Sayed etwa in einem Bett mit Sauerstoffmaske gezeigt. In Israel sorgte dies für Entsetzen.

Freilassung von drei Geiseln vorgezogen

Die Hamas ließ drei der sechs Geiseln früher als geplant frei. Drei Männer sollten gemäß dem Waffenruhe-Abkommen ursprünglich erst kommendes Wochenende freigelassen werden. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Mitglieder der Terrororganisation aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien. Laut der US-Nachrichtenseite “Axios” gibt es sowohl aufseiten der palästinensischen Terrororganisation als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste, sechswöchige Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte – und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben.

Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Jänner hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bisher 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.

Erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden

Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Damit wird der Austausch von Geiseln gegen Inhaftierte der ersten Phase abgeschlossen. Die erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden.

Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bisher, anders als vorgesehen, noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase der Vereinbarung geführt. Ob sie zustande kommt, ist ungewiss. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Im Gazastreifen werden noch mehr als 60 Geiseln festgehalten, etwa die Hälfte davon ist nach israelischen Informationen nicht mehr am Leben.

Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48.300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige.

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