Die Lagune von Venedig, bekannt für ihre faszinierenden Wasserlandschaften, hat eine neue Attraktion. 

Eine ehemals saisonale Sandbank, die als Bacan bekannt ist, hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Insel entwickelt. Diese Veränderung wirft ein neues Licht auf den Einfluss moderner Flutschutzsysteme wie MOSE und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt. Während Bacan als Symbol für die Anpassungsfähigkeit der Natur gefeiert wird, bleiben die langfristigen Folgen umstritten.

Von der Sandbank zur dauerhaften Insel

Die Sandbank Bacan war lange Zeit nur ein sommerliches Phänomen. Im Winter wurde sie durch Stürme und Flutwellen der Adria fortgespült. Doch seit der Aktivierung des MOSE-Flutschutzsystems im Jahr 2020 hat sich Bacan zu einer stabilen Insel entwickelt. Heute erstreckt sie sich über eine Länge von 250 Metern und eine Breite von 10 Metern. Die Insel ist mittlerweile von dichter Vegetation bedeckt. Pflanzen wie Queller, Binsen, salztolerante Tamarisken und andere heimische Gewächse haben hier Wurzeln geschlagen. Diese Vegetation schützt den Boden vor Erosion und hat dazu beigetragen, dass Bacan in den letzten vier Jahren keinem Wintersturm mehr zum Opfer gefallen ist.

MOSE: Ein Flutschutzsystem mit weitreichenden Effekten

Das MOSE-System, ein mobiles Flutschutzsystem zum Schutz Venedigs vor Hochwasser, hat die Bedingungen geschaffen, unter denen Bacan dauerhaft bestehen konnte. Laut Giovanni Cecconi, Ingenieur an der Università Ca’ Foscari in Venedig, schützt die Barriere Bacan im Winter vor zerstörerischen Wellen. Im Sommer hingegen beschleunigt sie den Wasserfluss in die Lagune, was zur Ablagerung von Sedimenten beiträgt und das Wachstum der Insel unterstützt.

Wissenschaftliche Diskussionen über Bacans Zukunft

Trotz der beeindruckenden Verwandlung Bacans mahnen einige Experten zur Vorsicht. Professor Andrea D’Alpos von der Universität Padua weist darauf hin, dass die Entstehung der Insel ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren ist, die schon vor der Inbetriebnahme von MOSE im Jahr 2020 begonnen haben. Er betont, dass es zu früh sei, Bacan als dauerhaft zu betrachten, da sich Umweltbedingungen ändern könnten.

Risiken für die Salzsümpfe der Lagune

Während Bacan als Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Natur gilt, hat MOSE auch negative Auswirkungen auf andere Teile der Lagune. Ein kritischer Punkt ist der Verlust von Sedimenten, die normalerweise durch Winterfluten in die Salzsümpfe der Region gelangen. Diese Sümpfe speichern bis zu 30-mal mehr CO₂ als Wälder und dienen als natürlicher Schutz gegen Sturmfluten. Da das MOSE-System Überflutungen verhindert, fehlt den Sümpfen der Nachschub an Sedimenten, was ihre Stabilität und langfristige Existenz bedroht. Laut Experten schwindet die Fläche dieser Sümpfe bereits, was erhebliche Konsequenzen für das Ökosystem und den Klimaschutz mit sich bringt.

Ein Balanceakt zwischen Schutz und Natur

Die Entwicklung Bacans verdeutlicht den Einfluss moderner Technik auf natürliche Prozesse. Während die Insel ein Gewinn für Besucher und ein Zeichen für die Widerstandsfähigkeit der Natur ist, werfen die Folgen des MOSE-Systems neue Fragen auf. Kann Venedig den Schutz vor Hochwasser mit der Bewahrung seines einzigartigen Ökosystems in Einklang bringen? Die Lagune steht vor der Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen menschlichem Eingriff und natürlichem Wandel zu finden.

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