Im Interview mit oe24.TV zeigt sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) optimistisch, doch noch die Nationalratswahl im Herbst gewinnen zu können. Zu Wladimir Putin würde er übrigens gerne wieder reisen, so der ÖVP-Obmann im Gespräch mit Isabelle Daniel.

oe24.TV: Zuerst zum nicht rechtskräftigen Schuldspruch gegen Sebastian Kurz. Wie haben Sie selbst darauf reagiert?

Karl Nehammer: Wir haben es nicht erwartet, das Urteil ist aber zur Kenntnis zu nehmen. Es ist ein nach wie vor offenes Verfahren, weil die nächste Instanz angerufen wird.

oe24.TV: ÖVP und Grüne haben in dieser Woche ein großes Wohnpaket verabschiedet – was ist daran besonders wichtig?

Nehammer: Das eine ist, dass wir leistbares Wohnen, leistbares Eigentum möglich machen wollen. Eigentum ist für die Menschen eine gute Altersvorsorge. Auf der anderen ­Seite erlebt die Bauwirtschaft gerade eine Delle und es war wichtig, dem entgegenzuwirken. Unsere Offensive sieht 10.000 geförderte Eigentumswohnungen, 10.000 Mietwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau sowie 5.000 Wohnungen vor, die saniert werden sollen.

oe24.TV: Aber der von den Sozialpartnern geforderte Wohnbonus von 100.000 Euro kommt nicht.

Nehammer: Unser Eigentumsbonus sieht vor, dass Darlehen bis 200.000 Euro aufzunehmen sind mit einem fixen Zinssatz von 1,5 %. Wir haben Gebühren abgeschafft und wir sind in der Lage, durch verschiedene Impulsmaßnahmen auch Eigentum zu ermöglichen.

oe24.TV: Themenwechsel: Sie waren in Paris beim ­großen Ukraine-Gipfel von Emmanuel Macron. Wie war denn da die Stimmung? Es ist ja immer von einer Ukraine-Müdigkeit die Rede.

Nehammer: Es war mir einmal wichtig, die Per­spektive eines neutralen EU-Mitgliedsstaates einfließen zu lassen. Wir sind uns im Westen sehr rasch einig, was zu tun ist. Aber wir müssen neue Wege finden, um dem russischen Präsidenten Putin klarzumachen, dass er in einer Sackgasse ist. Wir im Westen geben einander sehr rasch recht – aber wir haben zu wenige Verbündete auf der Welt, da rede ich dann immer auch von den BRICS-Staaten: Brasilien, Indien, China und Südafrika, das sind sehr einflussreiche Staaten. Die gilt es zu gewinnen, um auf den russischen Präsidenten Einfluss zu nehmen.

oe24.TV: Würden Sie noch einmal zu Putin fahren?

Nehammer: Es wird keinen Frieden ohne Russland geben. Wenn es dienlich ist, würde ich wieder mit ihm sprechen.

oe24.TV: Zurück zur Innenpolitik: Die FPÖ und Herbert Kickl werfen Ihnen vor, ein Kriegstreiber zu sein. Er sei der einzige Garant für Neutralität und wir würden schon längst dagegen verstoßen.

Nehammer: Manchmal lässt mich Kickl ratlos zurück. Das liegt auch daran, dass es einen Freundschaftsvertrag gibt zwischen der FPÖ und der Partei Putins, denn die Rhe­torik der beiden ist sehr ähnlich. Und sie ist vor allem eines: inhaltlich falsch. Es hat nicht die Ukraine Russland angegriffen, sondern Russland die Ukraine. Putin hat auch Gas als Waffe eingesetzt – er ist also kein verlässlicher Partner. Kickl versagt doch dabei, mehr Sicherheit für die Menschen zu garantieren. Wir haben uns für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher am Raketenschutzschirm Sky Shield beteiligt – und selbst da warnt er, dass das die Neutralität verletzt. Dabei hat auch die Schweiz Sky Shield übernommen.

oe24.TV: Und trotzdem liegt die FPÖ mit Kickl seit über einem Jahr in allen Umfragen auf Platz 1. Sehen Sie denn noch eine Chance, dass Sie ihn überholen können?

Nehammer: Die Chance sehe ich schon darin, dass es uns gelingen muss, Sorgen und Ängste jener Menschen ernst zu nehmen, die sich in der FPÖ aufgehoben fühlen. Ich als Bundeskanzler bin bereit, Verantwortung zu übernehmen, während er das nicht tut. Erinnern Sie sich doch daran, als er selbst Innenminister war und von all dem, was er heute fordert, genau nichts erreicht hat. Wir haben noch Zeit bis zur Nationalratswahl. Im September wird gewählt und bis dahin gilt es, die Menschen davon zu überzeugen, was wir für sie getan haben.

oe24.TV: Sechs Frauenmorde erschütterten das Land. Passiert da zu wenig?

Nehammer: Jeder Frauenmord ist einer zu viel. Wir haben in den letzten Jahre schon mit verschiedenen Maßnahmen begonnen. Ich habe den Innenminister beauftragt, dass es Schwerpunktaktionen der Polizei geben muss, damit sich Frauen im öffentlichen Raum sicherer fühlen.

Isabelle Daniel

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