Während Franziskus zur Eröffnung eines kirchlichen Jubiläumsjahres schwächelte, schien er bei einer Gefängnisvisite wie ausgewechselt.
Der Gesang etwas schief, die Kleidung eher leger, der Papst wesentlich lebendiger: Am zweiten Weihnachtstag zeigten sich Franziskus’ wahre Prioritäten, als er das Gefängnis Rebibbia besuchte. Anlässlich des katholischen Jubeljahres 2025 öffnete er in der römischen Haftanstalt eine sogenannte Heilige Pforte und feierte anschließend eine Messe mit Häftlingen und Gefängnispolizei. Am Christtag hatte der Pontifex weit weniger fit gewirkt.
Die 300 Anwesenden begrüßte er am Donnerstag (Stefanitag) nach dem Gottesdienst persönlich und würdigte die Kunstausstellung, die Insassen gemeinsam mit einer Künstlerin für das Heilige Jahr gestaltet hatten. Das Gefängnis bezeichnete er im Anschluss als eine Basilika – wie der Petersdom.
88-Jähriger predigte aus dem Stegreif
Der Termin war ausdrücklicher Wunsch des Papstes, der in seiner Amtszeit schon zahlreiche Haftanstalten besuchte. Die Öffnung des Tores an der Gefängniskirche solle ein Zeichen der Hoffnung sein, um das Selbstvertrauen sowie die Wertschätzung und Solidarität der Gesellschaft wiederzuerlangen, heißt es im Erinnerungsschreiben zur Papstvisite. Der 88-Jährige wirkte entspannt, predigte aus dem Stegreif, öffnete die Heilige Pforte stehend und durchschritt sie selbstständig, nur gestützt auf seinen Gehstock – ohne Rollstuhl.
Heiliges-Jahr-Eröffnung mit Hindernissen
Das war noch am Heiligen Abend bei der offiziellen Eröffnung des Heiligen Jahres 2025 anders. Der Papst schwächelte merklich wegen der Nachwirkungen einer Erkältung. In der zugig-kalten Vorhalle des Petersdoms kämpfte er vor der dreieinhalb Meter hohen Pforte über Minuten mit seinem Gewand. Vor den Augen der hochrangigen Gäste aus Kirche und Politik – auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war anwesend – verschwand er plötzlich und unangekündigt. Kurze Zeit später kehrte das katholische Kirchenoberhaupt zurück, betete still vor dem Portal, bis es sich schließlich nach seinem mehrmaligen Klopfen öffnete. Danach schoben Helfer Franziskus in seinem Rollstuhl über die Schwelle in die Basilika, wo er die Christmette feierte.
Begleitet wurde der Beginn des “Giubileo” von internationalen Medien in und vor der Basilika. Nur alle 25 Jahre finden diese katholischen Jubeljahre regulär statt. Die Heiligen Pforten spielen dabei eine besondere Rolle: Wer nach Rom pilgert und sie in Verbindung mit Gebet und Beichte durchschreitet, dem wird die Bußstrafe vergeben, die man nach der Vergebung für seine Sünden auferlegt bekommt. Ablass heißt das in der katholischen Kirche.
Historische Pforten für Millionen
Vier historische Pforten gibt es in Rom – das Gefängnistor zählt nicht dazu. Franziskus öffnete nur jene im Petersdom, die Portale in der Lateranbasilika, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern werden ihre jeweiligen Hausherren, die Erzpriester, in den nächsten Tagen öffnen. Außerhalb der Heiligen Jahre sind die Pforten von innen zugemauert. Seit Paul VI. bei der Eröffnung des Jubiläums 1975 fast von einem herabfallenden Mauerstück getroffen wurde, werden die Ziegelsteine bereits vor der päpstlichen Eröffnungszeremonie entfernt.
Das aktuelle Jubiläumsjahr steht unter dem Motto “Pilger der Hoffnung” – weit mehr als 30 Millionen von ihnen werden bis zum Ende des Jubiläums am 6. Jänner 2026 in Rom erwartet. Das ist auch eine Gelegenheit für die Ewige Stadt, ihr Erscheinungsbild aufzupolieren. Zahlreiche Baustellen zeugen davon. Die größten Projekte rund um den Vatikan wurden kurz vor der Eröffnung fertiggestellt. Dazu zählt die über 85 Millionen Euro teure Fußgängerzone inklusive Autotunnel-Verlängerung zwischen Engelsburg und Petersdom.
Hoffnung als zentrales Thema
Den Häftlingen in Rebibbia wünschte der Papst am zweiten Weihnachtstag ein “großartiges Jubeljahr”: Die Gnade eines Jubiläums bestehe darin, die Herzen vor allem der Hoffnung zu öffnen. “Das ist die Botschaft, die ich euch geben will – allen, auch mir selbst: Niemals die Hoffnung verlieren!”, so der Papst, bevor er allen ein gutes neues Jahr wünschte. “Möge das nächste Jahr besser werden als dieses. Jedes Jahr muss besser werden.” Angesichts der Konfliktherde weltweit, an die er am ersten Weihnachtstag erinnerte, ist dieser Wunsch nur allzu nachvollziehbar.