Die 4 Szenarien: Zweier-Koalition, Schwarz-Rot-Grün, Kanzler Kickl oder Neuwahl. 

Nach dem Platzen der Ampel-Koalition wird in allen Parteien, aber auch in der Hofburg eifrig beraten, wie es nun weitergehen kann. Fest steht: Eine Dreier-Koalition mit den NEOS wird es definitiv nicht mehr geben, das hat NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in ihrem Statement am Freitag ausgeschlossen. oe24 hat die vier Szenarien, was jetzt passiert.

Szenario 1: ÖVP und SPÖ machen alleine weiter

Ein Szenario, das gestern sowohl in ÖVP als auch SPÖ diskutiert wurde, ist, dass die beiden „Großparteien“ ohne NEOS weiter verhandeln und eine Zweierkoalition auf Zeit (etwa ein bis zwei Jahre) bilden – sofern man sich einigen kann. Insbesondere im Umfeld von Karl Nehammer dürfte man diese Variante überlegen, um Nehammer doch noch den Kanzlersessel zu retten.

Möglich wäre in diesem Fall, dass eine solche schwarz-rote Koalition mit den NEOS und den Grünen so genannte „Reformpartnerschaften“ eingeht. Sprich: Große Gesetze und Reformen würde man mit einer der beiden (oder beiden) kleinen Oppositionsparteien umsetzen. Die NEOS haben das bereits in Aussicht gestellt, auch die Grünen wären wohl dazu bereit.

Das Problem so einer Zweier-Koalition wäre freilich, dass sie nur eine hauchdünne Mehrheit von einem (!) Abgeordneten im Nationalrat hätte. „Damit sind wir völlig erpressbar. Wenn Hans Peter Doskozil entscheidet, dass ihm irgendwas gegen den Strich geht, lässt er seinen burgenländischen Abgeordneten nicht mit der Regierung stimmen und Schwarz-Rot hätte keine Mehrheit mehr“, äußert ein ÖVP-Verhandler massive Bedenken. Hinzu käme, dass die Optik einer solchen Zweier-Koalition „fatal“ sei, nachdem die NEOS ja mit dem Argument abgesprungen sind, dass diese Regierung nicht bereit sei, große Reformen umzusetzen. Außerdem ist die Stimmung zwischen ÖVP und SPÖ ist nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den NEOS äußerst angespannt – man versucht sich gegenseitig, den Schwarzen Peter zuzuschieben. Derzeit herrschen jedenfalls keine idealen Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, ist man sich sowohl bei ÖVP als auch SPÖ einig.

Szenario 2: Dreier-Koalition mit Grünen

In der Hofburg lotet Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Vernehmen nach deshalb bereits eine weitere Option aus, um einen Kanzler Kickl zu verhindern. Eine Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Grünen. „Mit den Grünen wären wir uns wahrscheinlich deutlich schneller einig, als mit den NEOS“, meint ein SPÖ-Verhandler. Sowohl bei Vermögenssteuern, Sozial- und Gesundheitsthemen als auch bei Klima- und Umweltschutz gäbe es Überschneidungen, ist aus der SPÖ zu hören. Die Grünen hatten bereits in den letzten Wochen immer wieder durchklingen lassen, dass sie bereit wären, über eine Dreier-Koalition zu verhandeln, wenn es mit den NEOS nicht klappt. Zuletzt hatte auch Grünen-Chef Werner Kogler das im oe24.TV-Interview bestätigt.

Für die ÖVP wäre eine „linke Koalition“ mit SPÖ und Grünen in der eigenen Basis freilich kaum argumentierbar. „Das würden die Landeshauptleute, der Wirtschafts- und der Bauernbund niemals zulassen“, sagt ein ÖVP-Insider zu oe24. „Dazu ist die Abneigung gegenüber den Grünen nach der letzten Koalition viel zu groß.“

Brisantes Detail: Werner Kogler hat bereits angekündigt, dass er sich im kommenden Jahr als Grünen-Chef zurückzieht. Wahrscheinlichste Nachfolgerin: Leonore Gewessler. Die ÖVP würde dann also ausgerechnet mit ihrer „Erzfeindin“ in der Koalition sitzen – ein Horror-Szenario, insbesondere für die NÖ-ÖVP, die Ende Jänner Gemeinderatswahlen hat.

Szenario 3: Blau-Schwarz – mit Kickl als Kanzler

In der ÖVP wird daher hinter den Kulissen bereits an einem dritten Szenario gebastelt. Eine Koalition mit der FPÖ. Befürworter dafür gibt es vor allem im ÖVP-Wirtschaftsflügel, aber auch bei den Bauern. „Mit der FPÖ wären wir inhaltlich in Kürze fertig, das Wirtschaftsprogramm ist quasi deckungsgleich, bei der Migration haben wir die gleiche Linie, einzig bei der Außenpolitik könnte es schwierig werden, aber wenn man will, wird man sich da auch einigen“, so ein ÖVP-Wirtschaftsvertreter. Eine blau-schwarze Koalition ist allerdings nur möglich, wenn Karl Nehammer als ÖVP-Chef geht. Denn die FPÖ ist nicht bereit, auf Kickl als Kanzler zu verzichten – und das hat Nehammer bekanntlich ausgeschlossen.

Die ÖVP müsste Nehammer also absägen (bzw. versorgen) und entweder Sebastian Kurz oder einen „Schwarz-Blau-Verbinder“ wie Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmannsdorfer oder NÖ-Vize-Landeshauptmann Stephan Pernkopf zum Chef machen.
„Wenn die ÖVP bereit ist zu akzeptieren, dass Herbert Kickl Kanzler wird, dann ist eine solche Koalition eine sehr realistische Option“, heißt es aus dem Kickl-Umfeld. Nachsatz: „Auch eine Koalition mit Sebastian Kurz ist natürlich möglich, wenn Kickl den Kanzler macht. Die beiden haben sich ausgesprochen.“ Möglich wäre in diesem Fall beispielsweise, dass Kickl Kanzler wird und Kurz Finanzminister – und die ÖVP das Justizministerium bekommt.

Aber: In der ÖVP gibt es – auch neben Nehammer – noch immer gewichtige Stimmen, die keinen Kanzler Kickl wollen. Entscheidend wird hier also sein, wer sich in der ÖVP in den kommenden Tagen durchsetzt: Das Anti-Kickl-Lager oder die Schwarz-Blau-Befürworter. In der FPÖ rechnet man außerdem damit, dass Bundespräsident Van der Bellen „mit aller Gewalt“ versuchen wird, eine blaue Regierungsbeteiligung zu verhindern.

Szenario 4: Neuwahl mit neuen Spitzenkandidaten bei ÖVP und SPÖ

Es läuft also vieles auf das vierte Szenario hinaus: Neuwahl! In einem solchen Fall würden ÖVP und SPÖ jeweils mit neuen Spitzenkandidaten in die Wahl gehen. Bei der ÖVP könnte Sebastian Kurz antreten (wenn er es nicht überhaupt mit einer eigenen Liste versucht), bei der SPÖ werden immer wieder der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke oder Ex-Kanzler Christian Kern genannt. „Dann wären die Karten völlig neu gemischt“, heißt es unisono aus ÖVP, SPÖ und FPÖ. Klar ist, dass in diesem Fall wohl alle Parteien mit der klaren Ansage in die Wahl gehen würden, dass der Erste auch die nächste Regierung bilden muss.

Das Manko: Eine Neuwahl ist – aufgrund der Fristen – frühestens im April möglich. Bis eine neue Regierung steht, wäre also Sommer. Österreich ist damit also noch mindestens ein halbes Jahr „regierungslos“. „Dann müsste der Bundespräsident wahrscheinlich bis dahin wieder eine Expertenregierung einsetzen“, mutmaßt man in der ÖVP.

Wahrscheinlichstes Szenario: ÖVP und SPÖ versuchen in den kommenden ein bis zwei Wochen – auf Druck des Bundespräsidenten -, ob sie doch noch eine Koalition zustande bringen. Scheitern sie, ist der Weg für Neuwahlen endgültig geebnet – mit neuen Spitzenkandidaten bei ÖVP und SPÖ.

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