SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer sprach im oe24.TV-Interview über das anstehende EU-Defizitverfahren, warum die Banken nicht stärker zur Kasse gebeten werden und was er am Ministerdasein eigenartig findet.
Wien. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) steht vor der Aufgabe, das marode Budget zu sanieren. Wie er die Konsolidierung angehen will, was ein EU-Defizitverfahren für Österreich bedeutet und was er für seine Budgetrede plant, erklärte er im oe24.TV-Interview mit Isabelle Daniel.
oe24: Am Anfang hatten NEOS und ÖVP ja Vorbehalte gegen Sie. Jetzt gibt es hinter den Kulissen plötzlich viel Lob. Was haben Sie da gemacht?
Markus Marterbauer: Indem ich meinen Job so angelegt habe, wie ich meine Jobs vorher angelegt habe: Dass man als Experte auftritt, auf Basis der Fakten und dann natürlich seine politische Meinung dazu sagt.
oe24: Kommen wir zum Budget: Wie groß ist denn das Loch jetzt wirklich und werden diese prognostizierten 4,4 % Defizit halten?
Marterbauer: In den sechs Wochen, wo ich da bin, haben sich die Zahlen wirklich immer schlechter dargestellt. Wir sind auf viele Dinge draufgekommen, die wir uns vor sechs Wochen noch nicht ausgemalt hätten. Wir haben ein Riesen-Budgetproblem. Auf der anderen Seite hatten wir solche Budgetdefizite zum Beispiel auch nach der Bankenkrise 2009, um das ein bisschen in Relation zu stellen.
oe24: Wird das Defizit noch unter drei Prozent gedrückt?
Marterbauer: Das ist ausgeschlossen. Die sechs Milliarden Euro setzen wir jetzt um. Das wird aber nicht dazu führen, dass wir heuer diese magische Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung beim Budgetdefizit erreichen.
oe24: Das heißt, es wird ein EU-Defizitverfahren geben. Was würde das bedeuten?
Marterbauer: Ich habe mit großer Verwunderung immer wieder gesehen, wie dieses Defizitverfahren diskutiert wird. Es wurde der Eindruck erweckt, Brüssel würde dann Budgetpolitik in Österreich machen. Das ist natürlich überhaupt nicht der Fall. Wir werden ein derartiges Verfahren bekommen. Im Juli wird das auf europäischer Ebene beschlossen.
oe24: Wird es nächstes Jahr noch mehr brauchen, wenn die Wirtschaft nicht wieder anspringt?
Marterbauer: Unser Prinzip ist: Zunächst alle Fakten auf den Tisch. Ich werde auch in der Budgetrede klar darstellen und sagen, was Sache ist, wie die Lage ist und wodurch sie beeinflusst wird. Es wird sicher nichts geschönt von meiner Seite, das kann ich Ihnen versichern.
oe24: Warum müssen zum Beispiel die Banken keinen höheren Beitrag leisten?
Marterbauer: Ich kann nicht mehr als 6 Milliarden Euro im heurigen Jahr und mehr als 8 dann zusammengerechnet im kommenden Jahr an Staatsausgaben einsparen und an Steuern erhöhen, ohne dass es irgendwer merkt. Alle Bevölkerungsgruppen werden betroffen sein. Jetzt kommen von den Banken zusätzlich 350 Millionen, von den Energiekonzernen zusätzlich 200 Millionen. Diese 550 Millionen waren in den Verhandlungen schon ganz hart zu erkämpfen.
oe24: Wie erklären Sie sich, dass der Vorgängerregierung offenbar nicht klar war, welche Schulden sie da anhäuft?
Marterbauer: In der Covid-Krise, aber dann noch einmal in der Teuerungskrise war irgendwie das Geld abgeschafft. Es war in dem Sinn unverantwortlich, als man nicht an die Budgetfolgen gedacht hat.
oe24: Was ist das Eigenartigste bei der Umstellung von Experte zu Minister?
Marterbauer: Ich komme gerade aus Warschau, da wird man herumgeführt mit einem eigenen Mercedes, der am Rollfeld auf einen wartet, das finde ich eigenartig. Ich wüsste eigentlich nicht, warum ich nicht mit dem Flughafenbus zum Gate fahren könnte.