Sie wollen Robert Pattinson leiden, gar sterben sehen? Dann sollten Sie sich “Mickey 17” nicht entgehen lassen. In der neuen Sci-Fi-Parabel des Oscar-prämierten Regisseurs Bong Joon-ho muss der britische Hollywoodstar als Crashtest-Dummy einer Weltraumexpedition einiges aushalten.

Satte 53 Millionen Dollar spielte der neue Film von “Parasite”-Regisseuer Bong Joon-ho bereits am ersten Wochenende weltweit ein. “Mickey 17” setzt sich damit fast überall auf Platz 1 der Kino-Charts. Auch wenn Hauptdarsteller Robert Pattinson im Film gleich 17 Mal sterben muss.

Die Erde ist im Jahr 2050 kein lebenswerter Ort. Um ans schnelle Geld zu kommen, versucht sich der naive Mickey Barnes (Pattinson) gemeinsam mit seinem Freund Timo (Steven Yeun) im Süßwarenmetier. Wie das läuft? Vielleicht sollte man bei jenem durchtriebenen Gangster nachfragen, der dem Duo Geld geliehen hat und nun seine Handlanger zum Eintreiben schickt. Um dem unausweichlichen Tod zu entkommen, schließen sich beide der Allmission eines zwielichtigen Politikers an, der auf dem fernen Planeten Niflheim eine Kolonie plant. Wie es der Zufall so will, schafft Timo den Sprung ins Pilotenprogramm, während Mickey unwissentlich fürs Expendable-Programm unterschreibt.

Es heißt also: Vom Regen in die Traufe. Denn Mickey muss auf die harte Tour erfahren, dass er nur als Kanonenfutter und Versuchskaninchen gedacht ist. Nach einem Scan seines Körpers sowie dem Hochladen seiner Erinnerungen in einen Ziegelstein, ist es den Wissenschaftern des Raumschiffs möglich, beliebig viele Kopien von Mickey anzufertigen. Hat eine Version ihr Ende im Strahlentod gefunden, rattert schon der nächste menschliche Rohling aus dem 3D-Drucker, was Bong mit seinem typischen Zynismus entsprechend absurd in Szene setzt. Mickey 1 bis 16 kämpfen sich so durch ihren Alltag, lernen in Form der Soldatin Nasha die Liebe kennen und bekommen beständig die Frage gestellt: Wie fühlt es sich an zu sterben?

Moralische Diskussion um menschliche Vervielfältigung

Der Schöpfer von gesellschaftskritischen Werken wie “Snowpiercer” oder dem mit vier Oscars ausgezeichneten “Parasite” tobt sich bei seiner Adaption des Romans “Mickey7” von Edward Ashton ordentlich aus. Nicht nur treibt Bong die moralische Diskussion über menschliche Vervielfältigung auf die Spitze, auch lässt er Mark Ruffalo den egomanisch-verblendeten Expeditionsführer Kenneth Marshall als krude Trump-Karikatur anlegen – bis hin zu ungelenken Tanzschritten, einer teils Eins-zu-Eins übernommenen Gestik sowie einem misslungenen Attentat, das an jenes bei Trumps Wahlkampfveranstaltung im Sommer 2024 erinnert. An seiner Seite glänzt Toni Collette als nicht weniger aufgedrehte “First Lady” dieses Unterfangens, die ihren Gatten immer wieder anstachelt.

Und die Menschen, die sich auf all den Wahnsinn einlassen? Hoffen einfach auf bessere Lebensbedingungen, wenn sie endlich Niflheim erreichen. Doch neben einer unwirtlichen Umgebung warten dort auch noch unzählige Wesen, die irgendwo zwischen Gürteltier, Tausendfüßler und Schaben angesiedelt sind. Ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht, ist zumindest für Marshall nebensächlich, will er doch mit der Population kurzen Prozess machen, um endlich sein gelobtes Land zu errichten. Bei all dem spielt Mickey aufgrund seiner Austauschbarkeit natürlich eine gewichtige Rolle, wäre da nicht jener blöde Zwischenfall, der eines Tages zwei Körper in einem Bett erwachen lässt…

Versteckter Humanismus

“Mickey 17” ist in seiner irrwitzigen Verspieltheit nur schwer zu fassen. Die dystopischen Grundzüge, die bereits “Snowpiercer” auszeichneten, sind hier ebenso zu finden, wie ein unter unglaublich vielen Schichten Wahnwitz versteckter Humanismus, den Bong bereits bei seinem märchenhaften Tierdrama “Okja” an den Tag legte. Kaum einer der Charaktere will im klassischen Sinne Gutes tun, aber böse Absichten haben die Wenigsten. Vielmehr geht es um das eigene und auch gemeinschaftliche Überleben. Dass gerade der etwas doof wirkende Mickey dabei zur Lichtgestalt wird, wirkt angesichts der Umstände nur passend. Er hat eben nicht (nur) den eigenen Vorteil im Sinn, sondern sieht sich als Teil einer Gemeinschaft – egal wie viele Mängel diese auch aufweisen mag.

Stilistisch schwankt Bong dabei zwischen überzeichnetem Humor, Ekel und Brutalität. Wobei Pattinson dem aberwitzigen Körperdoppel so viel Glaubwürdigkeit schenkt, dass es eben nicht nur bei Abziehbildern eines satirischen Unterfangens bleibt. Mit unglaublich viel Verve schmeißt er sich in diese Tour de Force, die seiner ausgefallenen Rollenauswahl ein weiteres gelungenes Kapitel hinzufügt. Aber auch der restliche Cast weiß mit Mehrdeutigkeiten zu überzeugen. Nach dem bitterbösen “Parasite” ist “Mickey 17” eine Rückkehr zu einem etwas leichteren Gestus für Bong, der trotzdem den Finger in die Wunde legt. Ob jeder Verweis auf reale Entwicklungen aufgeht (oder gar notwendig war), sei einmal dahingestellt. Ein lustvolles Unterfangen ist dieses doppelbödige Weltraumabenteuer allemal.

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