Michael Ludwig im oe24-Interview mit Politik-Chefredakteurin Isabelle Daniel zu den blau-schwarzen Koalitions-Verhandlung: “Die ÖVP wird Herbert Kickl noch kennenlernen”. 

Im oe24-Interview mit Politik-Chefredakteurin Isabelle Daniel bezog Wiens Bürgermeister Michael Ludwig unter anderem Stellung zu den geplatzten Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarz-Rot-Pink und warnte vor einer Regierung unter Bundeskanzler Herbert Kickl. Dabei zeigte er sich nicht nur von den NEOS auf Bundesebene enttäuscht, sondern vor allem von der ÖVP: “Die jetzigen Ereignisse zeigen, dass die ÖVP offensichtlich sehr schnell bereit ist, ihre ursprünglichen Anliegen, die im Wahlkampf artikuliert worden sind, aufzugeben, um an der Macht zu bleiben. Und dass sie bereit sind, den Kanzler einzutauschen gegen einen Vizekanzler – in einer Situation, wo sie Herbert Kickl noch kennenlernen werden.” 

Ludwig ortet abgekartetes Spiel der ÖVP

Stutzig hätten Ludwig vor allem Aussagen in Interviews aus der Industrie gemacht, “die sagen, es wird nicht so schwer sein, Kompromisse zu finden – denn wir haben ja schon Vorgespräche geführt.” Von daher sei Wiens Bürgermeister überzeugt, “dass es hier schon Verhandlungen, Gespräche gegeben hat”. Dieses “Drehbuch” kenne er bereits aus einigen Bundesländern, “wo im Wahlkampf ganz heftige Diskussionen bis weit unter die Gürtellinie zwischen ÖVP und FPÖ abgewickelt werden”, nach der Wahl strebe man dann aber dennoch eine Koalition an.

“Da macht man dann eine Ehrenrunde mit den Sozialdemokraten drauf”, meinte Ludwig. Doch: “Überraschenderweise setzen sich die Sozialdemokraten für soziale Gerechtigkeit ein”, woraufhin dann schnell gewechselt werde – zu Gesprächen mit der FPÖ”. “Blitzartig” stehe dann eine Regierung, “die man vor einigen Wochen Monaten noch als unmöglich eingestuft hat”. 

Kickl als “Sicherheitsrisiko” für Österreich

Ludwig habe Gespräche mit Vertretern aller Parteien geführt, “auch aus der ÖVP, aus der Zivilgesellschaft oder den Religionsgemeinschaften, die oft nicht nachvollziehen können, dass einzelne Personen von einem Tag auf den anderen ihre Meinung ändern und sagen, dass sich jetzt Kickl verändert” habe. Noch unter Sebastian Kurz hätte die ÖVP “den Bundespräsidenten ersucht, den damaligen Innenminister Herbert Kickl zu entlassen – mit der Begründung, dass er ein Sicherheitsrisiko ist. Und jetzt stützt die ÖVP Herbert Kickl nicht nur nicht als Minister, sondern auch als Bundeskanzler”, zeigte sich Ludwig empört.

Nicht nur für Österreich sei Kickl ein Sicherheitsrisiko, sondern mit Blick auf Russland auch für die EU: “Jetzt, da auch schon die verschiedensten Geheimdienste in Europa ankündigen, dass sie die Kontakte mit Österreich minimieren werden, weil sie den Eindruck haben, aufgrund des Eintritts der FPÖ in die Bundesregierung mit einem Bundeskanzler Herbert Kickl wären die Tore Richtung Russland und Putin geöffnet, stellen wir als Republik Österreich ein Sicherheitsrisiko innerhalb der Europäischen Union dar.”

Eine Entwicklung, die nicht nur beim Bürgermeister für Unverständnis sorgt: “Von daher ist für mich dieser Schwenk der ÖVP nicht nachvollziehbar. Und diese Einschätzung teile ich mit tausenden Menschen in unserer Stadt, in unserem Land.” 

Gute Zusammenarbeit mit NEOS in Wien

Auch wenn Ludwig auf Bundesebene mit der Art und Weise, die die NEOS in den Koalitionsverhandlungen agiert haben, nicht einverstanden ist, lobte er auf der anderen Seite die Zusammenarbeit in Wien. “Wir haben in Wien eine gut funktionierende Koalition zwischen SPÖ und NEOS. Ich arbeite mit Vize-Bürgermeister Wiederkehr sehr eng zusammen – auch in dieser sehr schwierigen Phase, die es zwischen den beiden Parteien auf Bundesebene gegeben hat. Über die Entwicklung auf Bundesebene bin ich extrem unglücklich und von daher habe ich sehr darauf gedrängt, dass wir Sozialdemokraten immer am Verhandlungstisch bleiben, auch wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt”, so Ludwig.

Abschließend stellt er klar: “Ich bin ein großer Fan der Sozialpartnerschaft und von daher weiß ich, dass gerade bei Kollektivvertragsverhandlungen, auch wenn die intensiv geführt werden, es immer wichtig ist, am Ende die wirklichen Knackpunkte zu lösen und so lange sitzen zu bleiben, bis es ein Ergebnis gibt. Und das hätte ich mir auch in der jetzigen Situation auf Bundesebene gewünscht. Von daher hat mich das schon sehr betrübt, dass die NEOS als erste aufgestanden sind und dann eine solche Dynamik ausgelöst haben.”

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