Verfall am Wasserfall: Der Ort im Salzburger Land war Glamour-Treff, doch dann begann der Abstieg. Nun erfindet er sich neu.
Ganz hinten im Tal liegt es, Bad Gastein. Hinter Hofgastein und Dorfgastein, wo die Berge höher werden und die Wege enger. Bad Gastein, das war zu deutschen Kaiserzeiten angesagter Ort der Schönen und Reichen. Der Ort, an dem sich die Gesellschaft traf. Kaiser Wilhelm, Kaiserin Elisabeth oder Erzherzog Johann. Sie kurten in Gastein und sind mit Promenaden geehrt worden, die ihre Namen tragen.
Später dann kamen die Kurgäste und die Wintersportler. Zur Kur ging vor allem, wer Last mit dem Bewegungsapparat hatte. Doch mit dem Abschwung der bezahlten, organisierten Kuren verfiel Bad Gastein zusehends. Zur Jahrtausendwende schien der Ort am Boden zu sein.
Ruinen, wo einst prächtige Hotels dicht an dicht standen. Der Straubingerplatz, die Ortsmitte, ein einziger riesiger Bretterverschlag. Bauversprechen, die sich in Luft auflösten wie die Gischt am riesigen Wasserfall, der mitten im Dorf über die Felsen herabfällt. So sah Bad Gastein zwischenzeitlich aus. Doch so sieht es heute nicht mehr aus.
Zwischennutzung gegen Großstadt-Stress
Anfang der 2000er-Jahre kamen die Hipster, gern aus Berlin – wie einst der deutsche Kaiser. Sie trafen sich zum Yoga-Retreat, zu einem der neu ins Leben gerufenen Kunstfestivals wie das “sommer.frische.kunst” und sammelten Kraft für die hektische Großstadt. Doch so richtig gefiel niemandem, wie heruntergekommen das einst schicke Bad Gastein war, dessen Ruf noch immer weit aus dem Salzburger Land in die Welt strahlte.
Dann der Auftritt von Hirmer Hospitality, ein Teil des familiengeführten Münchner Unternehmens Hirmer Gruppe, der Hotelmarken unter sich vereinte: Dieser nahm sich des Projekts an und begann direkt in der Dorfmitte, um einst ehrwürdige Unterkünfte wieder auf Vordermann zu bringen.
Das Grandhotel und das Badeschloss waren einst der Treffpunkt des Who’s who. Sie stehen unter Denkmalschutz. Also begann ein Prozess, der viel Zeit und viel Geld kostete.
Das “Grand Hotel Straubinger” macht seinem Namen wieder alle Ehre, es ist behutsam saniert und in seiner Grandezza erhalten worden. Es gibt Reminiszenzen an das mondäne Früher, und trotzdem ist das Haus nicht altbacken. Im riesigen Speisesaal liegt dauerhaft auf einer ausladenden Tischplatte ein scheinbar herabgestürzter Kronleuchter – an Humor hat es den Mitarbeitern vom Wiener Architekturbüro BWM offenbar nicht gemangelt.
Was mit dem Badeschloss passierte
Auch das gegenüberliegende Badeschloss, zwischen 1791 und 1794 im Auftrag des Salzburger Erzbischof Hieronymus an einer Felswand am Wasserfall erbaut, ist auf Vordermann gebracht worden. Schwimmen war offensichtlich leitendes Thema bei der Neugestaltung des gleichnamigen Hotels: Den Weg zur Rezeption leiten dunkle Fliesen, wie sie auch auf einer Schwimmbahn zu finden sind.
Hinter dem Tresen stehen gelbe Quietscheenten. Den langen Tisch in der Lobby begrenzt eine Art Pool-Leiter. Anspielungen wie solche ziehen sich durchs ganze Haus. Gleich nebenan wurde aus Beton ein Turm mit 13 Geschossen errichtet, auf dem Dach ein Infinity-Pool.
Wann genau die erste Badeeinrichtung in Gastein entstand, kann niemand mehr nachvollziehen. Im Jahr 1350 aber taucht in der Leibsteuerliste eine Behausung auf, die unmittelbar an den Quellen liegt, gut 50 Jahre später eine erste “Taferne”.
Fahrt in den Radon-Heilstollen
Neben Heilwasser hat der Ort noch einen seltenen Schatz: einen Radon-Heilstollen. Entdeckt wurde er durch Zufall, wie Sprecherin Michaela Santer berichtet: Im Gebirge rund um das Gasteinertal fand man einst Edelmetall, Gold und Silber. Doch statt in jungen Jahren schon kaputte Knochen und Gelenke durch die schwere Arbeit zu haben, ging es den Minenarbeitern verhältnismäßig gut.
Messungen im Inneren des Berges brachten zutage, warum das so war: Radon, ein Edelgas, das leicht radioaktiv ist und dem zugesprochen wird, dass es das Immunsystem stimuliert und die Selbstheilungskräfte aktiviert. In den 1950er-Jahren belegten Wissenschaftler den Radongehalt der Luft im Gasteiner Heilstollen.
Heute fahren vor allem Menschen mit der kleinen Bahn rund zwei Kilometer in den Berg hinein, die unter Morbus Bechterew, Rheuma und anderen Erkrankungen der Knochen und Gelenke leiden. Ohne ärztliche Begutachtung allerdings geht nichts.
Es wird immer wärmer, je tiefer der Zug in den Berg rollt – und die Orientierung scheint völlig verloren zu gehen. In den Zügen ist es still, beim Start wird um Ruhe gebeten. Wer vor lauter Nervosität ins Erzählen kommt, wird von den Nachbarn im Bademantel streng angeschaut.
Skigebiet Sportgastein
Doch wer nach Gastein kommt, zumal in der Wintersaison, wird oft auch Wintersportkleidung anlegen, und auch das hat Geschichte. Einst fuhr man am örtlichen sogenannten Nassfeld Ski und Snowboard – bis sich das Skigebiet am Ende des Tals in Sportgastein umbenannte.
Ins Leben gerufen wurde es in den 1970er-Jahren, Vorbild waren die damals neuen Skizentren in den französischen Alpen. Mit Pisten zwischen 1.584 bis 2.686 Metern über dem Meer ist es laut Guide Hans Naglmayer das höchstgelegene Wintersportgebiet im weitreichenden Verbund Ski amadé.
Aber schon Bad Gastein selbst bietet Anlass zur körperlichen Betätigung. Allein ein Gang entlang der verschiedenen Ebenen des Ortes bleibt nicht ohne gelegentliche Japser, denn der Höhenunterschied vom niedrigsten zum höchsten Punkt beträgt mehr als 200 Meter. Es geht bergauf mit Gastein.