Nach dem Tod seines Sohnes kam er 522 Tage in U-Haft: Dann rechtskräftiger Freispruch. Im Interview spricht Florian Apler über Morddrohungen im Gefängnis, Vorwürfe gegen Ermittler und seine Beziehung zu Leon.
Sein erster öffentlicher Auftritt ist für Florian Apler extrem emotional. Der durchtrainierte 40-Jährige stellt sich wieder dem „Fall Leon“. Spricht über seinen Sohn Leon. Was nach seinem Tod geschehen ist.
Der kleine Bub wurde am 28. August 2022 tot in der Kitzbüheler Ache aufgefunden. Zuvor ging Apler mit ihm spazieren, wurde niedergeschlagen, verlor das Bewusstsein. Nach einem halben Jahr ergebnisloser Ermittlungen kommt er in U-Haft – Mordverdacht.
522 Tage sitzt er im Gefängnis. Der Staatsanwalt wirft ihm vor seinen Sohn getötet zu haben, weil der an einem Gen-Defekt (Syngap-Syndrom) leidet . „Ich hätte meinem Sohn nie etwas getan, sagt Apler im oe24-Interview.
Am 1. August 2024 wird Apler in Innsbruck von einem achtköpfigen Geschworenengericht einstimmig rechtskräftig freigesprochen.
oe24: Wie geht es Ihnen heute – nach dem einstimmigen Freispruch wieder in Freiheit?
Florian Apler: Ich bin erleichtert, dass mich acht von acht Geschworenen freigesprochen haben, ich wieder bei meiner Familie sein kann und nun für die Gerechtigkeit kämpfen kann.
oe24: Was werfen Sie Ermittlern, Staatsanwalt und Richter vor?
Apler: Sie machten schwere Fehler, mit denen Sie ein vollkommen falsches Bild erzeugten. Dinge die nicht an die Öffentlichkeit gelangten und auch im Akt nicht zu finden waren. Jetzt suchen wir danach auf unserer Webseite.
Es gab unglaubliche Auslassungen und Fehlinterpretationen, die ich im Buch beleuchte. Hätte ich es nicht am eigenen Leib erlebt, würde ich es selbst nicht glauben.
“Im Gefängnis wurde ich als Kindermörder betrachtet”
oe24: Wie schlimm war die Zeit in U-Haft?
Apler: Im Gefängnis wurde ich als Kindermörder betrachtet. Da stand ich in der Hierarchie noch unter den Pädophilen. Es gab den Plan, mich in der Dusche abzustechen. Ich kam dann in eine Schutzzelle. Die ersten drei Monate gab es gar keinen Kontakt zu meiner Frau und meiner fünfjährigen Tochter.
oe24: Wie war Ihre Beziehung zu Leon?
Apler: Ich habe Leon abgöttisch geliebt. Es war nicht alles einfach, denn er hatte eine Krankheit. Aber er hat sich sehr gut entwickelt. Er konnte noch nicht sprechen, aber gut kommunizieren.
Ich habe ihm sehr genau zugehört. Wir hatten eine starke Verbindung. Er hat uns in der Familie sehr bereichert. Jeder Fortschritt von ihm war eine große Freude.
“Ich habe alles von ihm ihm aufbewahrt”
oe24: Wie denken Sie heute an Leon?
Apler: Es ist unglaublich traurig, weil ich weiß, dass ich ihn nie wieder sehen werde. Wir haben alles von ihm aufbewahrt in einem eigenen Zimmer, sein Spielzeug, seine Sachen. Sogar die Fensterscheiben mit seinen Handabdrücken haben wir ausbauen lassen.
Wir ziehen auch aus unserem Ort nicht weg. Er ist bei uns im Garten begraben. Seine kleine Schwester wird wissen wollen, was geschah. Auch deshalb schrieb ich das Buch. Die Suche nach den Tätern werde ich niemals aufgeben.
„Ich hätte meinem Sohn nie etwas getan”, sagt Apler.
“Wir waren ein Herz und eine Seele. Jeder, der uns kannte, hätte das bezeugen können, doch im Prozess durften Betreuungspersonen und Familienmitglieder weder zu Leons toller Entwicklung, noch zu unserem Papa-Sohn Verhältnis befragt werden.”
„Hunderte Pannen“
Apler sagt oe24: “Der Justiz sind hunderte Fehler passiert. Über einhundert Fehlinterpretationen, Ermittlungspannen und Auslassungen.”
Der Vater führt aus: “Längst widerlegte Anklagepunkte standen noch im Schlussplädoyer. Die Unschuldsvermutung wurde mit Füßen getreten. Nicht alle Scherben der Tatwaffe wurden sichergestellt. Mehrfach folgten uns männliche Einzelpersonen in der besagten Nacht, das Landeskriminalamt Tirol schaffte es aber nicht, diese Videos rechtzeitig sicherzustellen.”
Mann lief im Tatzeitraum durch Video
“Keine der 6 Tatortkameras wurde vom LKA gesichert. Eine Kamera sicherte die Polizeiinspektion St. Johann und das LKA wertete diese Kamera aus. Ergebnis: Keine Erkenntnisse. Durch eigene Recherchen hat mein Cousin herausgefunden, dass auf dieser Kamera eines Wohnhauses, die nur 90 Meter vom Tatort entfernt war, ein Mann im Tatzeitraum durchs Bild lief.” Auch DNA-Spuren seien nicht ausgewertet worden, wirft Apler der Justiz vor.
Vater sieht »Schwarze Schafe« in der Justiz
„In der Justiz gibt es schwarze Schafe“, sagt Florian Apler. Den Gutachtern der Justiz sei blind geglaubt worden, denen, die er selber engagierte, wurden nicht zugehört.
“Ein Gutachten, das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben wird, zählt 100 % und eigene Gutachten überhaupt nicht, obwohl die Gutachter ebenso gerichtlich beeidet sind und teilweise sogar höher qualifiziert. 9 Fachmeinungen aus verschieden Bereichen reichten nicht aus, um eine einzige Meinung zu widerlegen.”
„Die Freiheit hat einen hohen Preis“, sagt er in Hinblick auf die Kosten, die er für Aufklärung berappte.
Florian Apler: “Der wahre Täter läuft seit 887 Tagen frei herum”
Mit seiner Website sucht Florian Apler nach Hinweisen nach den Tätern.
https://der-fall-leon.at/
Apler spricht von einem Justizskandal, von vielen Hinweisen, die ignoriert worden sind vom LKA. Jetzt soll die Bevölkerung helfen.
In seinem Buch „Der Fall Leon“ mit Co-Autor Volker Schütz (es erscheint am 6. Februar) beschreibt er die widrigen Umstände in U-Haft, Fehler in den Ermittlungen und den schlussendlichen Freispruch durch alle 8 Geschworenen. Ruhe hat er bis heute keine – sein Sohn Leon fehlt ihm unendlich und er will Gewissheit über wahren Hintergründe der Tat.